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SOHA – D’Ici et d’ailleurs
(VÖ: 01.08.08) Sie ist überall und nirgends zu Hause. In musikalischer Hinsicht jedenfalls versteht sich Soha als Nomadin, die unaufhörlich weiterzieht, von Ort zu Ort, von Stil zu Stil. Mit “D’ici et d’ailleurs” (“Von hier und woanders”) ist ihr vielgestaltiges Debütalbum deswegen auch sehr treffend betitelt.
Soha erblickte als Jüngste von acht Geschwistern in einer Wohnsiedlung im nördlichen Teil von Marseille das Licht der Welt, die Ursprünge ihrer Familie liegen jedoch in Nordafrika. Die Mutter ist gebürtige Nubierin und brachte der Tochter schon früh traditionelle algerische Lieder bei. Die Eltern gehörten vor dem Umzug nach Frankreich zu den nicht sesshaften Sahrawi in der West-Sahara, ihr Volk wird dort Ouled Soltane (Kinder des Sultan) genannt. Der familiäre Background ist wohl die Ursache für Sohas nomadische Lebenshaltung, ihren Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit sowie das feurige Temperament. Ungekünstelt, frisch und spontan verkörpert sie eine Vielzahl kultureller und ethnischer Einflüsse. Die Wurzeln der begabten Newcomerin sind tatsächlich d’ici et d’ailleurs.
Soha ist mit den unterschiedlichsten Stileinflüssen aufgewachsen, was sie vor allem ihren Brüdern und Schwestern verdankt: “Jeder in der Familie hat seine eigenen musikalischen Vorlieben. Ich habe die unterschiedlichen Geschmäcker auf mich einwirken lassen, habe mir bei jeder Gelegenheit alles aufmerksam angehört.” Während einige Geschwister auf Disco, Funk und Soul standen, führte ihre ältere Schwester sie an das chanson française heran. Jacques Brel, Charles Aznavour, Bernard Lavilliers und Francis Cabrel waren ihre ersten Idole. Angeregt von deren Chansons, begann Soha bereits im Kindesalter selbst mit dem Singen. Das war ein ganz natürlicher Vorgang. Zuerst sang sie nur daheim zu Playback-Versionen auf Vinyl, doch schon bald reifte in ihr der Traum von einer Musikerkarriere heran. Soha arbeitete fleißig an ihrer Stimme, wagte den Schritt auf die Bühne und machte sich in der Region nach und nach einen Namen als Reggae-Künstlerin.
Trotz einiger Angebote weigerte sich die Nachwuchskünstlerin strikt, Jobs als Backing-Sängerin anzunehmen. Sie wusste, dass es sich dabei für Frauen nur allzu oft um eine Sackgasse handelt, aus der sie nicht mehr herauskommen. In einer Branche, die immer noch von Männern dominiert wird, hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, es aus eigener Kraft als Solistin zu schaffen. Ihre Courage und innere Stärke kamen Soha dabei zupass: “Ich musste mich selbst beweisen, wollte nicht klein beigeben. Daher kommt auch mein Name, der im Jamaikanischen wie ‘so what’ [na und?] ausgesprochen wird.” Mit ihrer Beharrlichkeit gelang es Soha schließlich, sich als Dancehall-Performerin zu behaupten. Dabei war ihre Bühnenpräsenz ebenso hilfreich wie der eigene Gesangsstil, den sie mit der Zeit entwickelte. Insbesondere mit ihren abwechselnd in Französisch, Englisch und jamaikanischem Patois vorgetragenen Songtexten hob sich Soha von der Masse der Konkurrentinen deutlich ab. Zu den musikalischen Vorbildern, die sie in ihrer Reggae-Frühzeit geprägt haben, gehören, wie sie selbst angibt, nicht zuletzt “die Glatt-wie-Gold-Stimme von Dennis Brown und Tanya Stephens, eine klein gewachsene Frau, die mich sehr beeinflusst hat und sich als Dancehall-Künstlerin einen Name machte.”
Obwohl erste Achtungserfolge zu verzeichnen waren, merkte Soha, dass ihre künstlerische Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen war. “Ich habe die Jahre dazu genutzt, an meinen Fertigkeiten zu feilen, trotzdem fühlte ich mich noch nicht bereit, auf eigenen Füßen zu stehen.” Der Wendepunkt kam, als die Vokalistin Jazzlegenden wie Sarah Vaughan, Billie Holiday und Ella Fitzgerald für sich entdeckte und sich sofort in sie verliebte. Mit Hilfe des Jazz tauchte Soha in sanftere Sounds ein, und genau diese Facette hatte gefehlt, um ihre Ausbildung voranzutreiben. Sie änderte ihr Repertoire, die Stimme klang plötzlich reifer und ganz allmählich vervollständigte sich so ihre Künstlerpersönlichkeit.
Einen weiteren großen Schritt nach vorn machte Soha, als sie die Musik von Celia Cruz kennen lernte. “Ihre kubanischen Elemente erinnerten mich stark an Marseilles”, merkt sie dazu an. “Diese Rhythmen waren mir vertraut. Die trug ich schon immer in mir, weil sie wie ich ursprünglich ja aus Afrika kommen. Celia hat mir dafür die Ohren geöffnet.” Nach diesem Aha-Erlebnis nahm Soha eine Auszeit, um sich intensiv mit afrokubanischen Aufnahmen von 1930 bis 1950 zu beschäftigen. In ihnen fand sie eine Quelle neuer Energie, den Auslöser für ein neues Projekt: ihr eigenes.
Endlich war das Bild komplett! Nach langem Suchen hatte Soha alle Bausteine zusammen, aus denen sie ihre eigene Karriere errichten wollte. Dennoch vergingen noch mehrere Jahre, bevor sie endlich einen Plattenvertrag bekam. Erst nach fruchtlosen Kooperationen und zahlreichen Umwegen gelangte sie schließlich ans ersehnte Ziel. Sohas Durchhaltewille wurde zuguterletzt belohnt.
So viel Hartnäckigkeit verdient Respekt, genauso die Tatsache, dass Soha bewusst keine Abkürzungen nahm. Sie ließ sich die Zeit, die ihr Reifeprozess erforderte. “Ich wollte ein Album einspielen, das all meine musikalischen Vorlieben miteinander vermischt und aus mir heraus entsteht. Ich habe es wie ein Gemälde geplant und kreiert, indem ich Schichten musikalischer Farben übereinander legte.”
Das abwechslungsreich bunte Ergebnis kann sich wahrlich sehen bzw. hören lassen und allein in Frankreich hat ihr neues Album bereits die Marke von 50.000 verkauften CDs erreicht.
Auf “D’ici et d’ailleurs” sind all die Einflüsse wiederzuentdecken, die Sohas bisherigen Werdegang bestimmt haben. Der Reggaebeat von “On ne saura jamais” beispielsweise erinnert an ihre Live-Anfänge als Solistin, die Ballade “Vu de là -bas” ist ihrer Jazzpassion geschuldet, bei “C’est bien mieux comme ça” scheint die Chansontradition Frankreichs, ihre erste große Liebe, durch.
Damit nicht genug der Stilvarianten: “Rue de la Croix Nivert” tänzelt leichtfüßig im Bossa-Rhythmus, in “Tourbillon” spielt ein Tango-Akkordeon auf, “Drôle d’idée” beinhaltet unter anderem frankophonen Rockpop, “Le Cafe Bleu” greift auf Rap-Reime und Scratching zurück, und “Ma mélancolie” weckt Erinnerungen an die kapverdische Morna einer Cesaria Evora. All das singt Soha übrigens alternierend auf Französisch, Englisch und Spanisch, manchmal wechselt sie die Sprache sogar Zeile für Zeile in einem Song. Das reinste Esperanto der Musik!
Besonders zu erwähnen wäre noch das Stück “Mil pasos”, das man klanglich irgendwo in Südamerika ansiedeln möchte. Für dieses Duett traf sich Soha mit Antoine Essertier im Studio. Der Mann aus Toulouse hat schon mit Blankass, La Foule und den Diadems gearbeitet, war im Alleingang erfolgreich und versorgte viele Kollegen mit Songs aus seiner Feder.
Vielseitiger als Soha kann man wohl kaum noch sein. Auf “D’ici et d’ailleurs” verarbeitet der aparte Lockenkopf diverse Genres und Gattungen, ohne dabei jemals in den Verdacht des Plagiats zu geraten. Wo andere nur zitieren, versteht es die sympathische junge Dame, unterschiedlichste Einflüsse zu einem ganz und gar originären Soha-Sound zu verdichten. Sie filtert das Vorgefundene durch ihre starke Künstlerpersönlichkeit und macht daraus etwas Eigenständiges, etwas völlig Neues. Das freilich ist den ganz Großen vorbehalten.
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