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Sebastian Sternal + hr-Bigband – Turning Point (Releasedate: 20.09.2024)
TURNING POINT: Ein mitreißendes Album von Sebastian Sternal und der hr-Bigband
Für den dreifachen ECHO-Jazz-Preisträger Sebastian Sternal schließt sich mit seiner frisch eingespielten Aufnahme Turning Point ein Kreis. Gleichzeitig beschreitet der Pianist als Komponist und Arrangeur der erstklassigen hr-Bigband für dieses aktuelle Projekt einmal mehr neue Wege. Er leitet das Ensemble vom Klavier aus, lässt die herausragenden Solisten der Band ausführlich zu Wort kommen – und hat ihnen die neuen Kompositionen geradezu auf den Leib geschrieben. Das beständige Ausloten feinjustierter Wendungen in seiner Komponistensprache hat bei ihm Tradition. Bereits seit mehr als zwei Dekaden legt der in Köln und Paris ausgebildete Musiker ein nunmehr in sich geschlossen wirkendes Werk voller Kontraste vor. Den ersten Trio-Alben (ab 2009) ließ er mit seiner preisgekrönten Symphonic Society (ab 2012) beinahe orchestrale Exkursionen auf Plattenlänge folgen, um anschließend mit einem intensiven Solo-Album (2022) zur kleinstmöglichen Form des Musikschaffens zurückzukehren. Turning Point bündelt diese Vielfalt fraglos strukturell und konzeptionell zum bisherigen Höhepunkt seines Schaffens.
Mit 14 Jahren schrieb der Jazzbegeisterte sein erstes Bigband-Arrangement. Der Zufall ließ Peter Herbolzheimer die Notenblätter des Nachwuchsarrangeurs studieren. Herbolzheimer sprach prompt eine Einladung zur kurzfristigen Teilnahme an der nächsten Arbeitsphase des Bundesjugendjazzorchesters aus. Sternal konnte dabei sein Arrangement nicht nur live gespielt hören, sondern anschließend von vielen Hinweisen des erfahrenen Band-Leaders profitieren. Das Thema Bigband ließ ihn über viele Jahre nicht los – und mündet nun in das Album Turning Point. Begeistert ist Sternal von den beiden großen Bigband-Traditionslinien, sowohl vom packenden, bluesigen Sound eines Count Basie oder Thad Jones wie auch vom orchestralen Farbenreichtum eines Duke Ellington oder Gil Evans. Basies Geist winkt prompt freundlich zustimmend in das Eröffnungsstück Play hinein. Als Entree in Turning Point ist die Nummer klug platziert. Das Zusammenspiel der hr-Bigband-Musiker und Sternal stellt darin zunächst voller spürbarer Begeisterung den Klangkörper vor, der in den folgenden 55 Minuten Spielzeit das Programm bestimmt. Die Lebendigkeit nimmt in der nachfolgenden Komposition Elegy veränderliche Gestalt an. Deren Anfang wird nur von feinen Klavier- und Schlagzeug-Klängen bestimmt. Gleich im Anschluss rückt die Band zur vollen Entfaltung inklusive frei improvisierter Passagen auf, bevor das Geschehen erneut ins Pianissimo übergeht.
Das Spiel mit Dynamiken bricht Formen auf, Klangfarben werden erst ausgelotet, dann feinsinnig vermengt. Von Haus aus Pianist, wahrt Sternal natürlich den Blick aus der Rhythmusgruppe heraus auf die Bigband. Da Sternal auch Saxofon studiert hat, öffnet er auch viele Räume innerhalb der Kompositionen für die Reed-Spezialisten der hr-Bigband. Weite Teile der „Turning Point“-Stücke gestaltete er allerdings hauptsächlich für kerndefinierende Blechblasinstrumente, sprich Posaunen und Trompeten, deren packender Sound ihn fasziniert.
Eine treibende, groovende Basslinie steht am Anfang von Friedkin (dem Regisseur William Friedkin gewidmet), bevor Bariton-Sax, Posaune, Alt-Sax und Schlagzeug das Eingangsmotiv solistisch ausweiten. Natürlich und selbstverständlich klingt der Flow dieser Musik – Improvisation und Komposition greifen organisch ineinander. Die hr-Bigband erweist sich als perfektes Ensemble mit unglaublicher Intensität und großartiger Spielfreude ihrer Solisten. Live im Studio, unter Berücksichtigung aller Nuancen und Klangdetails, wurde das gut einstündige Album beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt geprobt und eingespielt. Im Anschluss mischten Sternal und der Tonmeister Christian Heck das Material in Köln, bevor das Mastering in New York unter der Ägide von Randy Merrill stattfand, der bereits die letzten Alben von Bigband-Spezialist Darcy James Argue und Pop-Musikerin Taylor Swift masterte. Das viel investierte Herzblut zahlt sich hinsichtlich des zugänglichen Erzählstrangs der Platte aus. Turning Point“ folgt dem übergeordneten Wendepunkt-Gedanken in vielerlei Hinsicht – persönlich, gesellschaftlich, politisch. Mal meint Turning Point den Blick zurück auf etwas Dagewesenes, den Verlust eines Menschen oder stabil geglaubter gesellschaftlicher Strukturen (Elegy oder Lament – eine Hommage an Buxtehude‘s berühmtes Klag-Lied). Dann wieder richtet die Musik im übertragenen Sinne den Fokus geradeaus ins Tomorrowland. Oder sie ist im Hier und Jetzt und feiert den Moment (Play, Red Beat). Mit Turning Point resümiert Sebastian Sternal somit treffsicher seine grundlegende Musiker- und Komponistenselbstauffassung. Er schließt einen Kreis und öffnet gleichzeitig einen neuen.
Sebastian Sternal (*1983) ist Jazz-Pianist und -Komponist. Seine künstlerische Tätigkeit wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. dreifach mit dem ECHO-Jazz, dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik und dem WDR Jazzpreis. Studium Jazzklavier und -Komposition in Köln und Paris, u.a. bei Hubert Nuss, Joachim Ullrich, Hervé Sellin und John Taylor; Konzertreisen in die USA, nach Namibia, Südafrika, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Polen, Bulgarien und Albanien. Zahlreiche Rundfunkproduktionen und CD-Veröffentlichungen, z.B. 2009 sein Trio-Debüt „Eins“ (Double Moon), 2010 das zweite Trio-Album „Paris“ (Stockfisch). Außerdem ist Sternal Pianist im Quartett „Die Verwandlung“ des Trompeters Frederik Köster (Köln), spielt im Trio mit der Trompeterin Airelle Besson (Paris) und im Duo mit den Saxophonisten Claudius Valk und Will Vinson (New York). Sein Projekt „Sternal Symphonic Society“ vereint Musiker aus Jazz und Klassik in einer 11-köpfigen „symphonischen Combo“ und wurde vielfach preisgekrönt. 2017 erschien sein von Publikum und Fachwelt gleichermaßen gefeiertes Trio-Album „Home“ mit Larry Grenadier und Jonas Burgwinkel. Sternal lehrt als Professor für Jazzklavier und -Ensemble an der Hochschule für Mainz und leitet dort die Abteilung für Jazz und Populäre Musik. Dank eines Fellowships des Gutenberg Forschungskollegs gründete er 2021 das Exzellenzprojekt „Jazz Campus Mainz“.
Diskografie (Auszug)
2003 – Jule Unterspann Duo/Sextett: „Lil´it“
2006 – BuJazzO: „Calling South Africa“
2006 – Frederik Köster: “Soundtrack“
2008 – Maxime Bender Sextett feat. David Binney: “Open Range”
2009 – Sebastian Sternal Trio: “Eins”
2010 – Sebastian Sternal Trio feat. Anne-Marie Jean: “Paris”
2011 – Klaus Heidenreich Quartett: “Travel Notes”
2011 – David Fettmann Quartett: “Prélude”
2011 – Maxime Bender Quartett feat. Will Vinson: “Follow the eye”
2012 – Valk/Sternal Duo: “Lichtspielhaus”
2012 – Sternal Symphonic Society
2013 – Frederik Köster: “Die Verwandlung”
2014 – Manderscheid / Sternal Duo “Flussrauchen”
2015 – Sternal Symphonic Society Vol. 2
2015 – Frederik Köster “Tension / Release”
2015 – Denis Gäbel Quartett: “Ronda”
2015 – Klaus Heidenreich Quartett meets NDR Big Band: “Perceptions”
2015 – Köster / Sternal :“Canada”
2017 – Sternal / Grenadier / Burgwinkel: “Home”
2022 – Sternal Solo: “Thelonia”