Quatuor Ébène – Milestones (Releasedate: 04.10.2024)

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Quatuor Ébène – Milestones (Releasedate: 04.10.2024)

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Quatuor Ébène

Milestones

 

Noch bevor dieses Wortspiel aus Miles und Tones den Titel eines der kultigsten Jazzstandards von Miles Davis stellt, klingt er für uns nach jenen Etappen – oder eben Meilensteinen – die unser 25-jähriges Quartett-Dasein markieren. Unser Mentor und Meister der musikalischen Analyse Eberhard Feltz hätte wohl von Wendepunkt gesprochen: jenem Punkt einer Kurve, an dem die Richtungsänderung eintritt; nach einem solchen Richtungswechsel gibt es kein Zurück mehr, die Dramaturgie führt unweigerlich zu einer Auflösung, einer Coda, und setzt das Verb als Prädikat ans Satzende. Und es war derselbe Eberhard, der uns nach einer spontanen Jam-Session im Sommer 2004, als wir uns intensiv auf den Wettbewerb in München vorbereiteten, Folgendes auf den Weg mitgab: „Arrangieren und improvisieren sind wertvolle Saiten an eurem Bogen, vorausgesetzt, ihr übt weiterhin gut Beethovens op. 18.“ Er sollte recht behalten. Immer wieder konnten wir uns davon überzeugen, dass uns der ernsthafte Umgang mit der vermeintlich unterhaltsamen U-Musik eine willkommene Leichtigkeit und neue Inspiration für die als ernst apostrophierte E-Musik brachte, wie auch bei Haydn oder Mozart, um nur bei diesen drei Wiener Giganten und genialen Improvisatoren zu bleiben, wobei die Improvisation, vom Standpunkt der kreativen Sublimierung aus gesehen, vielleicht sogar ihre Hauptbeschäftigung war. Jedenfalls ihr täglich Brot.

Seit der Gründung unseres Ensembles wenige Wochen vor dem Millennium-Bug des Jahres 2000 trug uns die Faszination der ersten Stunde für Ravels Quartett oder Schuberts Der Tod und das Mädchen auf den Pfad, einsam viersam, des täglichen Musizierens, vier unermüdlich Suchende, die alsbald zu einer dieser Mikrogesellschaften verschmelzen sollten, die das Genre ausmachen. Aber wie ein Reflex, der sich fast von selbst einstellt, nahmen Improvisation und die Versuchung, Stücke aus dem gewaltigen „Themen“-Repertoire des Jazz und Pop, ja sogar des Chansons zu arrangieren, einen so wichtigen Platz in unserem Leben und später in unserer Karriere ein, dass sie wahrscheinlich zu unserem Markenzeichen und Verkaufsargument wurden; für uns war es jedoch nur die Freude am Teilen und am Erfinden einer Gemeinsamkeit, die nur uns gehörte, bevor sie als der direkteste Weg zu einem neuen, manchmal jüngeren, oft weniger klassikbesessenen Publikum erschien, das im selben Konzert Mendelssohns op. 80, Bartóks 3. Streichquartett und einen Abstecher zu Django Reinhardt oder Chick Corea zu hören vermochte. In diesem wundersamen Garten ging es wenig akademisch zu: Unsere Instrumente wurden zum Klavier oder zur Gitarre, zum Kontrabass, E-Bass und zu monodischen Soloinstrumenten wie Trompete, Saxofon, … Geige!

Es dauerte nicht lange, bis unsere geheimen Vorlieben auf eine Art kollektives Konto gingen, das wir gierig plünderten, um unser Verlangen nach Chorus, Songwriting, Gesang, Funk oder Pop, Noise-Exzentrik, Latin oder Hard Bop, kurz: nach Musik zu stillen. Diese selbst- und hausgemachten Stücke – niemals hätten wir einen externen Arrangeur beauftragt – haben wir zunächst eher als Zugaben zu unseren Konzerten verstanden, sollten aber schon bald, auf Einladung von Virgin Classics, dem späteren EratoLabel, eine erste Sammlung von Arrangements herausbringen. Mit dem Album Fiction (2010), aufgenommen und vertont von Fabrice Planchat, der uns als einer der ersten auf diesem gewagten, aber ungemein fruchtbaren Weg begleitete, reisten wir in Begleitung des außergewöhnlichen Schlagzeugers Richard Héry durch Europa und sogar in die USA und nach Hongkong. Es folgten 2014 Brazil und 2017 Eternal Stories. Im Rahmen dieser Projekte hatten wir das Glück, die Bühne und das Studio mit so großartigen Künstlern wie Stacey Kent, Natalie Dessay, Luz Casal, Fanny Ardant, Michel Portal, Bernard Lavilliers, Mino Cinelu … zu teilen, an ihrer Seite zu singen und uns mit ihren, dem klassischen Stil fremden Welten vertraut zu machen, wobei sich jeder von uns auf seine eigene Vielseitigkeit spezialisierte: Mathieu, dann Adrien und jetzt Marie setzten Bratsche und Stimme mit einem Talent ein, das man in der Arpeggione-Sonate so nicht herauszuhören vermag; Raphaëls Cello rivalisierte unermüdlich mit dem Klang von Kontrabass oder Gitarre; Gabriel ging auf im Geigenspiel der Zigeuner, der Bretonen, aber auch in Elektroloops und Pierre, Pierre arbeitete unermüdlich daran, die besten improvisierten Soli zu bieten, der beste Jazzgeiger unter den klassischen Geigern, der beste klassische Geiger unter den Jazzgeigern zu sein, so wie sich auch Maurice Basquet als „bester Bergsteiger unter den Cellisten, bester Cellist unter den Bergsteigern“ präsentierte. Bis heute bleibt unsere Beethoven-Gesamtaufnahme (2020), die teilweise durch die Covid-19-Pandemie torpediert wurde, der wichtigste Meilenstein auf unserem Weg. Vielleicht im Gegensatz – so unübertroffen bleibt die Kraft dieses Korpus – zu jeder mündlichen Überlieferung. Dennoch war die Erfahrung so stark, dass sie die Begriffe Modernität und Kühnheit neu hinterfragt hat. Wir wollten es nicht dabei belassen…

Das Album, das Sie in den Händen halten, wurde 2023 aufgenommen und markiert eine neue Etappe für das Ensemble, das vor Kurzem den Cellisten gewechselt hat. Nachdem sich Raphaël nach und nach mit dem softwareunterstützten Schreiben und Editieren von Partituren vertraut gemacht hatte (wie weit zurück liegen die mit Filzstift auf Papier gekritzelten Arrangements!) und die letzten Konzerttourneen mit ihm liefen, schien es nur natürlich, zum Abschied und in tiefer Verbundenheit die noch nicht aufgenommenen Arrangements einzuspielen, die konzertant auf Purcell oder Ligeti folgend und schlicht mit „jazz sets“ betitelt bereits auf die Bühne gebracht worden waren. Das vergangene Vierteljahrhundert, es kam uns vor wie der Bruchteil einer Sekunde. Das Leben eines Musikers kennt Irrungen und Wirrungen, Freuden und Krisen. Vielleicht hat uns dieses Album, diesmal ohne Gäste, zu unserer ursprünglichen Substanz zurückgeführt, uns mit dem Gefühl verbunden, unsere Klassiker wiedergefunden zu haben. Ein Streichquartett ist immer in Bewegung, es ist ein starkes Magnetfeld, in dem die Suche nach dem Gleichgewicht jeden Tag von neuem beginnt, ohne zu wissen, welche Versprechen es halten kann und wie lange. Aber mit jedem Meilenstein wird die Leidenschaft neu entfacht und jeder Milestone ruft nach dem nächsten.

(Übersetzung: Sanna Hanssen)

 

 

Tracklisting: 

  1. Dienda / Kenny Kirkland
  2. Milestones / Miles Davis
  3. Bluesette / Toots Thielemans
  4. Misty / Erroll Louis Garner
  5. Fables of Faubus / Charles Mingus
  6. Ana Maria / Wayne Shorter
  7. ‘round midnight / Thelonious Monk
  8. All blues / Miles Davis – John Coltrane
  9. Chicken / Alfred James Ellis
  10. Goodbye Pork Pie Hat / Joni Mitchell / Charles Mingus

 

Artists

Quatuor Ébène:

Pierre Colombet violin · Gabriel Le Magadure violin

Marie Chilemme viola · Raphaël Merlin cello

 

Konzerte (verschiedene Programme): 

17.09.2024        CH-Zürich

19.09.2024        Frankfurt am Main

21.09.2024        Schwerin

22.09.2024        Oranienstein / Diez

15.10.2024        CH-Basel

17.10.2024        CH-Göppingen

08.12.2024        CH-Biel

11.12.2024        Berlin

12.12.2024        Neumarkt

13.12.2024       A-Wien

 

14.01.2025        Dortmund

15.01.2025        Düsseldorf

27.02.2025        Hamburg

06.03.2025        Wien

20.05.2025       Köln

22.05.2025        Stuttgart

23.05.2025        München

 

https://www.quatuorebene.com/