Kai Liekenbr̦cker РKlavier (Releasedate: 18.03.2022)

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Kai Liekenbr̦cker РKlavier (Releasedate: 18.03.2022)

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Kai Liekenbröcker bezeichnet die Musik seines neuen Albums „Klavier“ als „auskomponierte Improvisation“. Das ist schön vage gehalten, obwohl es den Kern der 10 Stücke umfassenden Songsammlung perfekt beschreibt. Technisch gesehen zumindest. Hinsichtlich der emotionalen Substanz seiner Musik will er hingegen gar nicht erst den Versuch wagen, sie zu beschreiben. Zum Glück! In der durchformatierten Moderne bleibt den geneigten Zuhörer:innen inzwischen kaum noch Luft zum Atmen. Alles muss sofort erklärbar sein, schlimmstenfalls geht die Entmündigung soweit, dass sogar vorgegeben wird, was beim Hören von Musik zu fühlen ist. Dabei geht es auch anders, viel freier, eindringlicher, freundlicher. Wenn eine Platte zum langfristigen Companion, zum steten Wegbegleiter wird, hat sich deren Betrachter mit ihr beschäftigt, seinen eigenen, gefühlten Zugang zu ihr gefunden – unabhängig vom Diktum selbsternannter Verkaufsexperten.  Als Alben veröffentlicht wurden, deren Hüllen nichts außer einer Mauer oder ein pyramidenförmiges Prisma zeigten, lagen denen keine Beipackzettel bei, die vor Nebenwirkungen und den Risiken der freien Auseinandersetzung mit der Musik warnten. Lange ist’s her.

Wer an dieser Stelle des Annäherungsversuchs an Kai Liekenbröckers „Klavier“-Album den nostalgischen Twist erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Der äußerst musikneugierige Tastenmann aus Köln schwimmt nämlich weder im behäbig-beschaulichen „Neo-Klassik“-Fluss dem Nirwana entgegen noch produziert er seine Musik per App. Vielmehr setzt er aufs Autarke, denn Musik – das hatten wir ja schon – befördert schließlich bestenfalls autarke Empfindungen. So können dann auch der „Pumpensumpf“ einer Spülmaschine oder die „Knallbrause“ auf die Fährte des Sendens und Empfangens von menschlichen Regungen führen. Formen sind Kai Liekenbröcker hingegen wichtig.

Er mutmaßt, dass die Nachvollziehbarkeit musikalischer Informationen nach der Strukturfindung besser funktioniert. So ist es jedenfalls bei ihm. „In langen, 18 Minuten dauernden Improvisationen, spielt beispielsweise Keith Jarrett so frei, weil er – das glaube ich zumindest – auf der Suche nach einer jeweils neuen Geschichte ist. Die soll ihm motivisch so viel bieten, dass er daraus etwas entwickeln kann. Wenn die gefunden ist, höre ich sehr viel lieber zu, denn dann finde ich einen Rahmen. Das Motivische ist mir in meiner Musik sehr wichtig, ich wähle teilweise sogar bewusst die selbstgesteckte Begrenzung als Pianist, um Motive nicht allzu ausufernd zu variieren“, erklärt er seine Methode als Komponist.

Dogmatik hat auf „Klavier“ keine Daseinsberechtigung, weder hinsichtlich Improvisation noch in Sachen Struktur. Folgerichtig, denn Kai Liekenbröckers kreativ-künstlerischer Werdegang ist seit jeher von Pluralismus geprägt. In Hannover studierte er Musik, schloss sich anschließend für ein Jahr und eine Albumproduktion Fury in the Slaughterhouse an, bevor er im CAN-Studio als Toningenieur arbeitete. 1997 erschien sein erstes Soloalbum „Neuromantic Trance“, dem jeweils drei Einspielungen seiner Projekte Wondabraa und Braa Conspiracy folgten.

Zwischendurch arbeitete er mit Jaki Liebezeit und als Tonmeister für Film- und TV-Produktionen. Mittlerweile ist er stolzer Besitzer eins ehrwürdigen Clavinet, auf dem bereits Stevie Wonder und Giorgio Moroder ihre Fingerabdrücke hinterlassen hatten. Und warum jetzt „Klavier“, sprich Solo-Piano? Der erotischen Spannung wegen, die in der nur scheinbar reduzierten Musik steckt. Hierin geht’s nicht ums „Runterkommen“, sondern ums Fühlen von Elementarem. Deswegen ist auch die „Klavier“-Hülle nichts Abstrahiertes. So wie die zehn Stücke Kai Liekenbröcker sind, ist er auf dem Cover mitsamt Namen zu sehen, während die schöne Frau, die eine Kalaschnikow über der Schulter tragen könnte, im Vorübergehen dem Hormonellen, dem Mysteriösen zugewandt vorbeischreitet. Ist „Klavier“ Musik zum Vorübergehen? Für die oder für den, der sie so nutzen möchte, ist sie das sicher. Wer jedoch die Dimensionen dieser zehn Klavierkunst-Krönchen zur Kenntnis nehmen möchte, dem offenbart sich eine gewisse Romantik – angereichert mit den Aromen von Gewürzen, die Leib und Seele zusammenhalten. Möge „Dienstags“ zu einem Ritual werden! Auch Donnerstags. Mit „Klavier“!

 

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Kai Liekenbröcker bezeichnet die Musik seines neuen Albums „Klavier“ als „auskomponierte Improvisation“. Das ist schön vage gehalten, obwohl es den Kern der 10 Stücke umfassenden Songsammlung perfekt beschreibt. Technisch gesehen zumindest. Hinsichtlich der emotionalen Substanz seiner Musik will er hingegen gar nicht erst den Versuch wagen, sie zu beschreiben. Zum Glück! In der durchformatierten Moderne bleibt den geneigten Zuhörer:innen inzwischen kaum noch Luft zum Atmen. Alles muss sofort erklärbar sein, schlimmstenfalls geht die Entmündigung soweit, dass sogar vorgegeben wird, was beim Hören von Musik zu fühlen ist. Dabei geht es auch anders, viel freier, eindringlicher, freundlicher. Wenn eine Platte zum langfristigen Companion, zum steten Wegbegleiter wird, hat sich deren Betrachter mit ihr beschäftigt, seinen eigenen, gefühlten Zugang zu ihr gefunden – unabhängig vom Diktum selbsternannter Verkaufsexperten.  Als Alben veröffentlicht wurden, deren Hüllen nichts außer einer Mauer oder ein pyramidenförmiges Prisma zeigten, lagen denen keine Beipackzettel bei, die vor Nebenwirkungen und den Risiken der freien Auseinandersetzung mit der Musik warnten. Lange ist’s her.

Wer an dieser Stelle des Annäherungsversuchs an Kai Liekenbröckers „Klavier“-Album den nostalgischen Twist erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Der äußerst musikneugierige Tastenmann aus Köln schwimmt nämlich weder im behäbig-beschaulichen „Neo-Klassik“-Fluss dem Nirwana entgegen noch produziert er seine Musik per App. Vielmehr setzt er aufs Autarke, denn Musik – das hatten wir ja schon – befördert schließlich bestenfalls autarke Empfindungen. So können dann auch der „Pumpensumpf“ einer Spülmaschine oder die „Knallbrause“ auf die Fährte des Sendens und Empfangens von menschlichen Regungen führen. Formen sind Kai Liekenbröcker hingegen wichtig.

Er mutmaßt, dass die Nachvollziehbarkeit musikalischer Informationen nach der Strukturfindung besser funktioniert. So ist es jedenfalls bei ihm. „In langen, 18 Minuten dauernden Improvisationen, spielt beispielsweise Keith Jarrett so frei, weil er – das glaube ich zumindest – auf der Suche nach einer jeweils neuen Geschichte ist. Die soll ihm motivisch so viel bieten, dass er daraus etwas entwickeln kann. Wenn die gefunden ist, höre ich sehr viel lieber zu, denn dann finde ich einen Rahmen. Das Motivische ist mir in meiner Musik sehr wichtig, ich wähle teilweise sogar bewusst die selbstgesteckte Begrenzung als Pianist, um Motive nicht allzu ausufernd zu variieren“, erklärt er seine Methode als Komponist.

Dogmatik hat auf „Klavier“ keine Daseinsberechtigung, weder hinsichtlich Improvisation noch in Sachen Struktur. Folgerichtig, denn Kai Liekenbröckers kreativ-künstlerischer Werdegang ist seit jeher von Pluralismus geprägt. In Hannover studierte er Musik, schloss sich anschließend für ein Jahr und eine Albumproduktion Fury in the Slaughterhouse an, bevor er im CAN-Studio als Toningenieur arbeitete. 1997 erschien sein erstes Soloalbum „Neuromantic Trance“, dem jeweils drei Einspielungen seiner Projekte Wondabraa und Braa Conspiracy folgten.

Zwischendurch arbeitete er mit Jaki Liebezeit und als Tonmeister für Film- und TV-Produktionen. Mittlerweile ist er stolzer Besitzer eins ehrwürdigen Clavinet, auf dem bereits Stevie Wonder und Giorgio Moroder ihre Fingerabdrücke hinterlassen hatten. Und warum jetzt „Klavier“, sprich Solo-Piano? Der erotischen Spannung wegen, die in der nur scheinbar reduzierten Musik steckt. Hierin geht’s nicht ums „Runterkommen“, sondern ums Fühlen von Elementarem. Deswegen ist auch die „Klavier“-Hülle nichts Abstrahiertes. So wie die zehn Stücke Kai Liekenbröcker sind, ist er auf dem Cover mitsamt Namen zu sehen, während die schöne Frau, die eine Kalaschnikow über der Schulter tragen könnte, im Vorübergehen dem Hormonellen, dem Mysteriösen zugewandt vorbeischreitet. Ist „Klavier“ Musik zum Vorübergehen? Für die oder für den, der sie so nutzen möchte, ist sie das sicher. Wer jedoch die Dimensionen dieser zehn Klavierkunst-Krönchen zur Kenntnis nehmen möchte, dem offenbart sich eine gewisse Romantik – angereichert mit den Aromen von Gewürzen, die Leib und Seele zusammenhalten. Möge „Dienstags“ zu einem Ritual werden! Auch Donnerstags. Mit „Klavier“![:]