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Florian Weber – Imaginary Cycle ( Releasedate: 13.09.2024)
Groß angelegt und in seiner grundsätzlichen Disposition einzigartig, ist Florian Webers Imaginary Cycle, der für die ungewöhnliche Besetzung von Blechbläserensemble und Klavier konzipiert wurde, ein Hybrid aus mehreren musikalischen Sprachen, der das Harmonische mit dem Gewagten nahtlos verschmilzt. Weber präsentiert hier einen vierteiligen Zyklus, der von einer Eröffnung und einem Epilog eingerahmt wird. Mit dabei ist eine Gruppe aus vier Euphonien, einem Posaunenquartett sowie der Flötistin Anna-Lena Schnabel und Michel Godard auf dem selten verwendeten „Serpent“-Blechblasinstrument, die gemeinsam ein Werk aufführen, bei dem die Grenze zwischen Improvisation und Komposition verschwimmt. Während das Ensemble elegant durch Florians mehrere Idiome umfassendes Werk reist, mischen sich symphonische Passagen mit Kontrapunktik, pastorale Vorstellungen werden mit zeitgenössischen Texturen kontrastiert, während jede Stimme des Ensembles eine unabhängige Rolle spielt und zu einem Ganzen beiträgt.
Wie das Projekt entstanden ist, erläutert Weber in den Liner Notes: “Das gesamte Projekt wurde von Anfang an gemeinsam mit Manfred Eicher entwickelt. Zuerst war ich nur auf das Klavier fokussiert. Aber Manfred brachte schon sehr bald die Idee ein, weitere Instrumente mit einzubeziehen – jedoch aus der Ferne.” „Lontano“ war der spezifische Begriff, den der Produzent verwendete, um seine Klangvorstellung zu umschreiben, bemerkt der Pianist. “Ich war sofort von diesem Ansatz angetan und wir tauschten viele Ideen zu dem Konzept aus. Schon früh schlug er vor, eine Gruppe von Instrumenten hinzuzufügen, die einen tieferen Frequenzbereich abdecken würde.” Geht man noch einen Schritt weiter zurück, so ging es bei den ersten Gesprächen zwischen dem Pianisten und dem Produzenten vielmehr um abstraktere und metaphorische Prinzipien als um die konkrete Musik selbst: “Anfangs hatten Manfred und ich vor allem Bilder im Kopf – malerische, sinnbildliche Landschaften als Impetus für musikalische Erkundungen. Wir haben uns gegenseitig Bilder und Klänge beschrieben und dabei Ähnlichkeiten zwischen unseren Gedanken entdeckt. So als würden wir uns gegenseitig einen Raum beschreiben, mit einer speziellen Atmosphäre, in der sich unsere beiden Blickwinkel überschneiden.”
Bei der Verwirklichung dieses Projekts wird Weber von dem französischen Euphoniumquartett Opus 333 auf der einen Seite und einer handverlesenen Gruppe von vier Posaunisten auf der anderen Seite unterstützt. Webers langjähriger musikalischer Weggefährte Michel Godard, der auf dem Album Serpent und Tuba spielt, war ein enger Berater bei der Auswahl der Euphoniumspieler, Bassposaunistin Maxine Troglauer – eine jüngere, aber ebenso vertraute Bekannte Webers, half bei der Suche nach den richtigen Posaunisten für diesen Zweck.
Zu diesem instrumentalen Fundament gesellen sich neben Florian am Klavier, die Flötistin Anna-Lena Schnabel und Michel Godard, die über und zwischen den Ensembles schweben und eine Verbindung zwischen Klavier und Blechbläsern, eine Brücke zwischen alten und zeitgenössischen musikalischen Ausdrucksformen und nahtlose Übergänge zwischen der komponierten und der improvisierten Welt herstellen. „Einige der Stücke des Zyklus beginnen von einem komplett improvisierten Punkt aus und bauen sich langsam zu einer durchkomponierten Passage auf“, merkt Florian Weber an. „Anna-Lena Schnabel ist besonders sensibel und geschickt darin, auf die Stimmung und den konzeptionellen Bogen der Musik zu reagieren. Sie ist wirklich in der Lage, den kompositorischen Aspekt in ihren Improvisationen zu erfassen. Dasselbe gilt für Michel, dessen Kommunikation mit den anderen Instrumenten einzigartig ist.“
Allen Aspekten von Webers musikalischem Können wird in Imaginary Cycle in ausgedehnten Momenten Raum zur Entfaltung gegeben. Mit dem Begriff der „Komprovisation“ bezieht sich Weber auf die inhärente Synergie von komponierten und improvisierten Elementen, während der von Florian geprägte Begriff der „polyphonen Intuition“ auf die Fähigkeit des Pianisten anspielt, improvisatorische Passagen aus einem fast unbewussten Zustand herauszuentwickeln. Beide Begriffe, die im Begleittext ausführlicher beschrieben werden, sind in der Musik vorherrschend. Intuitiv treibt der Pianist seine üppige Klaviereinleitung zu Beginn des Zyklus auf eine musikalische Lichtung zu, an der die Hörner dazustoßen und bereitet so das Feld für das erste beschwörende Kapitel „Opening“. Die Namen der Zyklusteile – die übrigen drei heißen „Wort“, „Opfer“ und „Segen“ – entstammen Florian Webers Überlegungen zur liturgischen Messe als Mittel der musikalischen Organisation. Die Interaktion – eines der Hauptmerkmale – ist ein Charakteristikum, das den Kern von Imaginary Cycle und den Ansatz des Ensembles ausmacht. Einzelne Instrumente und Ensembleteile lösen sich und gruppieren sich im Laufe des musikalischen Prozesses immer wieder neu. Beeinflusst vom Madrigal der Renaissance ebenso wie von Komponisten des 20. Und 21. Jahrhunderts, sprengt Webers Vision die Grenzen der Polyphonie und führt sein Ensemble zu etwas radikal Neuem und Imaginärem. Das Album wurde im Juli 2022 im Sendesaal Bremen aufgenommen und von Manfred Eicher produziert.
Florian Weber hat sich als einer der herausragenden Pianisten und Komponisten zwischen den Genres in Europa und darüber hinaus etabliert – das Online-Magazin Something Else! nannte ihn „einen wahrhaft zukunftsorientierten Pianisten… erstaunlich!“, während die Süddeutsche Zeitung ihn als „einen außergewöhnlichen Pianisten mit einem frischen, neuen Sound“ lobte.
Seit seinem ECM-Debüt im Duo mit Markus Stockhausen auf dem 2016 erschienenen Album Alba hat Weber eine steile Karriere hingelegt, die ihm Auszeichnungen, Kompositionsaufträge und Auftritte bei internationalen Festivals eingebracht hat. 2018 veröffentlichte er sein Leader-Album Lucent Waters, bei dem er mit dem Trompeter Ralph Alessi, Nasheet Waits am Schlagzeug und der Bassistin Linda May Oh zusammenspielt. Als Sideman ist der Pianist auf beiden Alben von Matthieu Bordenave (La Traversée, The Blue Land) und Ralph Alessis It’s Always Now zu hören („Man spürt sofort, dass Weber ein idealer harmonischer Partner ist, der in der Lage ist, Alessis Bewegungen, die keineswegs vorhersehbar sind, zu antizipieren und sanft darauf zu reagieren.“ – Making A Scene).
https://ecmrecords.com/artists/florian-weber/