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Agustin Strizzi – The Flop (Releasedate: 28.11.2025)

Agustin Strizzi
Agustin Strizzi schafft auf seinem neuen Album „The Flop“ ein offenes Modern-Latin-Jazz-System für Herz und Seele
In der Leichtathletik ist der Begriff „Flop“ durchweg positiv belegt. In den 1960er-Jahren vom Olympiasieger Dick Fosbury entwickelt, revolutionierte der sogenannte „Fosbury-Flop“ die Hochsprungtechnik. Allen jahrzehntelang erprobten Springfinessen zum Trotz stellte Fosbury seinerzeit alles Gelernte und Gelehrte infrage, um einen neuen Sportleransatz zu finden, der Maßstäbe setzte. Agustin Strizzi gibt unumwunden zu, kaum mehr als fünf Zentimeter hochspringen zu können. Fosburys Mut, altgediente Systeme anzuzweifeln, benennt er jedoch als leuchtendes Beispiel für seine frischgefundene Arbeitsweise. Dem argentinischen Schlagzeuger, Komponisten und Produzenten ging ein Licht auf, als er sich näher mit Fosbury beschäftigte. Während der Kenntnisnahme der Vita des Leichtathleten faszinierten Strizzi weniger dessen Siege und Trophäen. Seine Geisteshaltung, Fortschritt durch Abweichung von der Norm zu erreichen, imponierte Strizzi hingegen nachhaltig. Umgehend stellte sich der vielseitige Trommler und Latin-Percussion-Experte eine Frage, die jeder Klangmacher kennt: Wie lässt sich eine neue individuelle Musikproduktionsmethode entwickeln? Welcher ist der beste Weg, das eigene Künstlerselbstverständnis so darzustellen, dass alle Ausdrucksformen gleichzeitig hörbar werden?
Es folgten Gespräche mit Schauspielern, Film-Cuttern und prominenten Kollegen. Es fielen Namen wie Pat Metheny, der dafür bekannt ist, großorchestrierte Alben nach live eingespielten Basis-Takes durchs Overdub-Verfahren erneut aufzunehmen. Agustins neu gefundene Recording-Methode sollte letztlich auch das „The Flop“-Sound- und Musikkonzept beeinflussen. Das Resultat ist ein vielseitiges Album, dessen erzählerisches Moment schnellen, barrierefreien Zugang zur Musik ermöglicht. Gleichzeitig halten Strizzi und seine Band nonchalant das Gleichgewicht zwischen Modern Jazz, komplexen Afro-Latin-Grooves und zugänglich dargestellten Instrumentalisten-Finessen. Die Musik singt förmlich, ohne gesungen zu werden. Ein Kunststück!
Aber der Reihe nach. Auf „5t Vol 2“, Strizzis vorheriger Studioeinspielung, huldigte der Mann aus Buenos Aires dem klassischen Bandklang. Das Soundkonzept des Albums war darauf ausgerichtet, sich als Zuhörer inmitten jenes Raumes zu wähnen, in dem Strizzis fünfköpfige Band unter Live-Bedingungen aufnahm. Die Vorgehensweise ging auf, die LP wurde allenthalben für die zugrunde liegende Soundtransparenz und die fein justierten rhythmischen Geflechte gelobt.
„The Flop“ lässt Strizzis Groove-Traumspiele von schwereloser Tiefe hingegen geschichtet hörbar werden. Komponierende Drummer sind sich des Dilemmas sicher gewahr, immer Percussion-Spuren im geistigen Ohr zu hören, die unmöglich parallel spielbar sind. Man hat ja nur zwei Hände! Einschränkungen, die die menschliche Physis mit sich bringt, müssen Musiker jedoch nicht daran hindern, mit sich selbst spielen zu können. Agustin Strizzi entwarf dementsprechend für die sechs neuen „The Flop“-Kompositionen eine Produktionsmethode, die es ihm ermöglichte, quasi in Echtzeit Schlagzeug und Percussion unter seinen Bedingungen einzuspielen. Das Schichten von Tonspuren ist freilich keine Neuerung. Eigene gesetzte Pulsmuster mit weiteren Trommelspuren anzureichern und improvisatorisch auszuweiten, darf hingegen getrost als Strizzis Variante des „Fosbury-Flop“ bezeichnet werden. Groove-Verästelungen innerhalb einer festgelegten Metrik bewegen sich auf seinem neuen Album „The Flop“ in erbaulich-unerwartete Richtungen. Wie der individuelle Duktus, den jeder Mensch aufweist, liegt jedem Wesen auch ein eigener Rhythmus zugrunde. Mit dem ureigenen Pulsschlag in aller Trommlerinteressenvielfalt in Korrespondenz zu treten, ist das Prinzip, dem „The Flop“ folgt. Wenn man so will, konnte sich der Mann, der vergleichsweise massiven Percussion-Background aufweist, für „The Flop“ selbst multiplizieren.
Agustin Strizzi und seine sechs ausgewählten Musikerkollegen befreien in den Songs des neuen Albums nicht nur Schlaginstrumente aus deren vorgegebenen Rollen. Im Stück „Lino“ greifen die Trommeln einerseits in gleichbleibender Taktung ineinander, was dem Ohr suggeriert, dass ein zweiter, undefinierbarer Beat entsteht. Andererseits wird die Percussion zum Melodiengeber emporgehoben. Das feinswingende Momentum des Anschlags führt zu singendem Sprachstil von Instrumenten, denen gemeinhin ausschließlich Tamtam-Charakter zugesprochen wird.
Eine weitere Besonderheit ist Strizzis Einladung an seine Musiker, Kompositionen aus seiner Feder wie Melting Pots zu betrachten. Die unterschiedlichen Herkünfte der Mitspieler mitsamt ihren jeweiligen musikkulturellen Wurzeln spielen einander zu. Sie ergänzen sich gegenseitig und schaffen einen offenen, einzigartigen Musikspielplatz. Das Stück „Lino“ ist von anmutig-persönlicher Bedeutung: Agustin Strizzi sang dessen Melodie seiner Tochter während der Geburt vor. Der Song fußt auf afro-peruanischem „Lando“-Groove, getrommelt von der aus Peru stammenden Laura Robles. Darauf setzt der kolumbianische Percussionist Cristian Betancourt an der Conga ein Pattern von westafrikanischer Herkunft. Strizzi selbst akzentuiert derweil die 1 der Taktzählung, was unmittelbar das Bild eines Groove-Baumes wachruft. Von dessen solider Stammpracht weisen zahllose Zweige differenzierter Harmonie- und Rhythmusdeutungen in unterschiedliche Richtungen. Die Kern-Band, bestehend aus dem argentinischen Keyboarder Carly Quiroz, Martin Lillich am Bass, dem französischen Pianisten Thibault Falk und Martin Auer an Trompete und Flügelhorn, umgarnt das Trommler-Trio derweil lyrisch-feinsinnig. „PorQue“ und „Toy“ setzen dem erzählerischen Gehalt der Strizzi-Kompositionen poetische Krönchen auf. Gleichzeitig unterstreichen die grazil-swingenden Nummern, dass aus den althergebrachten Mutterschiffen Latino-Grooves und Modern-Jazz durchaus progressive Impulse heraus entstehen können.
Das Eröffnungsstück „Checheriiku“ offenbart gleich zu Beginn ein wichtiges „The Flop“-Merkmal: Harmonie und Struktur der Musik bleiben durchweg präsent und nachvollziehbar. Multiple Möglichkeiten der Dialog- und Interpretationstiefe einzelner Solisten bleiben dennoch gewahrt. Das hingebungsvolle, liebende Empfinden, dass während des Komponierens und der Aufnahmen allgegenwärtig war, ergreift unmittelbar Körper und Seele. Warum aber ist die erfrischend klischeefreie Reise „The Flop“ bereits nach sechs Stücken vorbei, obwohl die Ohren eindeutig nach mehr verlangen? Ganz einfach: Agustin Strizzi ist großer Fan klassischer Blue-Note-Platten. Die forderten bekanntlich keine Stunde Spielzeit und Aufmerksamkeit ein, um maßgebliche Impulse setzen zu können.
Mitwirkende Musiker:innen:
Agustin Strizzi: percussion
Laura Robles: percussion
Cristian Betancour: percussion
Carly Quiroz: keyboard
Martin Lillich: bass
Thibault Falk: piano
Martin Auer: trumpet, flugelhorn
Konzerttermine 2025:
27.09. Luckenwalde, klassMo Cafe & Gästehaus, Kulturwerkstatt
09.11. Baruth/Mark, Kulturhof Klasdorf
18.12. Berlin, Jazz in der Alte Feuerwache
19.12. Potsdam, Café Villa Schöningen
20.12. Rauhenebrach, Café Ton
Website: https://agustinstrizzi.com/
Youtube: https://www.youtube.com/c/AgustinStrizzi
Instagram: https://www.instagram.com/agustin.strizzi/
