Wayne Shorter Quartet – JazzNights [Tour]

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Wayne Shorter Quartet – JazzNights [Tour]

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Es muss ein denkwürdiger Augenblick gewesen sein. Am 2. August 2007 teilten die einstigen Glimmer twins des Jazzrock, Joe Zawinul und Wayne Shorter, nach gefühlten Jahrzehnten getrennter Wege auf dem wunderbaren Veszprem Festival in Ungarn wieder einmal die Bühne und spielen ein Duett zusammen – “In A Silent Way”. Das von Zawinul komponierte Lied aus dem Jahr 1969 markiert den Ãœbergang zwi-schen dem rein akustischen zum elektrischem Jazz, den Miles Davis damals vollzog und an dem sowohl Zawinul als auch Shorter wesentlich beteiligt waren.

Beinahe 40 Jahre lagen zwischen der ersten Aufnah-me dieses Signaturstücks des Jazzrock und der improvisierten Neudeutung auf der Festivalbühne von Veszprem. Zawinul war wie immer mit seiner Band Syndicate auf Tournee und hatte vier Wochen zuvor seinen 75. Geburtstag gefeiert. Nach der frei und hoch fliegenden Version von “In A Silent Way” sprach Zawinul hörbar bewegt zum Publikum: “When it comes to friendship… friendship is a wonderful relations-hip. Not just a wonderful word. This gentleman here is a music partner for so many years, we collaborated for so many years. For me: the greatest living musician in the world: Wayne Shorter.” Diese Worte klan-gen schon bald als Vermächtnis zu Lebzeiten nach: am 11. September 2007, fünf Wochen nach dem Auf-tritt mit dem alten, ein Jahr jüngeren Freund und für ihn größten lebenden Musiker der Welt, war Joe Za-winul tot.
Wollte man ihre erfolgreichste gemeinsame Unternehmung, die Band Weather Report, mit einem Drei-Sterne-Restaurant vergleichen, so wäre Zawinul darin der Spitzenkoch gewesen, der die bezwingendsten Grooves der Zeit anzurühren verstand. Shorter aber war der Sommeiller: seine Melodien auf dem Tenor- und dem Sopransaxophon sind Klang gewordener Spirit – anregend wie der Champagner zum Aperitif, frisch und mineralisch wie der Muscadet zum Fisch, tröstend und warm wie ein guter Médoc, süffig wie ein Sauternes, und manchmal, in seiner hochprozentigen Reinheit, so die Sinne zum Schwinden bringend wie ein alter Calvados. Shorter hören, heißt sich einem erstklassigen Rausch überlassen, aus dem man ohne dicken Kopf erwacht. Die schönste Droge, die man sich über die Ohren zuführen kann.

Das gilt inzwischen mehr denn je. Sein seit 2001 bestehendes Quartett mit Danilo Perez (p), John Patituc-ci (b) und Brian Blade (dr) entführt die Hörer oft vom ersten Ton an in Räume jenseits der Jazzwelt, wie wir sie kennen oder zu kennen glauben. Da wird nicht mehr über Material improvisiert, das die Leute im Saal in dieser oder jener Version schon oft gehört haben. Das Wayne Shorter Quartet lebt und spielt buch-stäblich in anderen Sphären, und es gibt nicht wenige Leute, die das mächtig aufregt. So fasziniert sie davon sein mögen, mit welcher traumwandlerischen Sicherheit die vier Musiker einander die Bälle zuspie-len: sie würden diese Bälle ganz gerne auch manchmal sehen. Manchen Fans erscheinen die Séancen die-ser hochpotenten Gruppe wie ein Illusionstheater des Jazz. Nichts, woran man sich festhalten könnte, und doch scheint das, was da von der Bühne klingt, in jedem Ton, in jeder dynamischen Nuance einen Sinn zu ergeben – und die Skala reicht vom Shorterflüstern auf dem Sopran über die abstrakten Latin-Ekstasen des Pianisten Perez und die atemberaubenden Erdbewegungen in den Tiefen von Patituccis Bass bis zum donnernden Synkopengewitter des furiosen Schlagzeugers Blade. Wer sich darauf einlassen kann, dass er sich hier buchstäblich ganz verlassen muss – auf die Musik; wer damit klarkommt, dass nichts mehr klar ist; wer begreift, dass es nichts zu begreifen gibt, der kann einen Abend mit dem Wayne Shorter Quartet als Meditation erleben. Kein Gestern, kein Morgen. Reine Gegenwart.

Muss man noch sagen, dass Wayne Shorter zu jener Handvoll Musiker zählt, die man beim ersten Ton er-kennt – an ihrem Ton? Dass er nicht nur ein glanzvoller Improvisator ist, sondern auch ein Komponist, der dem Jazz seit mindestens 50 Jahren wunderbares neues Spielmaterial zuführt? Als er vor einem halben Jahrhundert bei Art Blakey’s Jazz Messengers einstieg, schrieb er bald schon den Löwenanteil der Stücke. Als er fünf Jahre später, 1964, zum Miles Davis Quintet stieß, war es nicht anders. Shorters Sinn für Melo-die, für Form, für Proportionen ist längst ähnlich zum Charakteristikum seiner Musikalität geworden wie der Klang, den er auf seinen Instrumenten erzeugt. Kaum ein Musiker in der bei aller Freundschaft auch von Konkurrenzdenken und Rivalität bestimmten Jazzwelt zieht soviel ungeteilte Liebe und Respekt auf sich wie er. Und zu seiner Integrität als Künstler kommt das ungemein einnehmende Wesen eines Men-schen, den man bei der Ãœberwindung des Egos schon weit vorangeschritten glaubt. Die eigene Person, eigene Meriten stehen in Interviews mit ihm nie im Vordergrund. Wer mit Shorter über Shorter sprechen will, landet, eh er sich’s versieht, in anderen Galaxien, in die der ausgesprochen ätherische Geist des Meisters schwerelos aufsteigt. Waynes Welt mag unergründlich bleiben. Doch in seinem
Paralleluniversum erklingt eine Musik, die das Dasein auf Erden um einiges beglückender macht.
[Text : Karsten Jahnke Konzertdirektion]

Tourtermine:
31.10.2009 – Dortmund, Konzerthaus
02.11.2009 – Hamburg, Laeiszhalle
08.11.2009 – München, Philharmonie
12.11.2009 – Baden-Baden, Festspielhaus
15.11.2009 – Frankfurt, Alte Oper
16.11.2009 – Düsseldorf, Tonhalle