The Wood Brothers – Loaded

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The Wood Brothers – Loaded

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(EMI/ Blue Note) In gewisser Weise hatte das Debüt der Wood Brothers von 2006, „Ways Not To Lose“, eine lebenslange Entstehungsgeschichte. Es war die erste Zusammenarbeit des Sängers und Gitarristen Oliver Wood, Frontmann der aus Atlanta stammenden Bluesband King Johnson, mit dem Bassisten Chris Wood, bekannt von dem erfahrenen und alle Genres sprengenden Trio Medeski Martin and Wood. Als Musiker legten sie eine leichtfüßige Virtuosität an den Tag, zugleich offenbarte sich in dem Album die außergewöhnliche Beziehung der Brüder. Ihre Folk- und Akustik-Bluesstücke, versetzt mit hoffnungsfrohem Gospel und der für Country typischen Melancholie, wurden bei Publikum und Kritikern so herzlich und begeistert aufgenommen wie alte Freunde. Für das National Public Radio war es eines der Top-Ten-Alben des Jahres und der Rolling Stone erklärte: „Hinter der leichtfüßigen Partymusik von ‚Lose‘ verbergen sich tiefgründige Fragen über den Sinn des Lebens oder den Kampf mit der Versuchung, und ab und an findet sich auch eine existentielle Wahrheit darin.“

Mit „Loaded“ eröffnen die Wood Brothers einen breit gefächerten musikalischen Dialog, den sie schon begannen, bevor sie ins Studio gingen: Zum ersten Mal haben die beiden gemeinsam Songs geschrieben. John Medeski, erneut als Produzent tätig, kam dazu, als die Songs langsam Form annahmen; er spielt auf einigen Stücken Keyboards. Sie luden zudem zahlreiche Freunde und Gastmusiker in ihr Studio bei Woodstock, New York ein, darunter die Sänger Amos Lee, Pieta Brown und Frazey Ford, den Steelgitarristen Darick Campbell, David Mansfield und Jennifer Choi an der Violine, Cellist David Eggar sowie die Drummer Billy Martin und Kenny Wolleson und den Percussionisten Donnie McCormick. Sie alle geben dem Werk ein vielfältiges, gehaltvolles Bandgefühl, welches das karge „Ways Not To Lose“ mit seinem ‚Live im Studio‘-Ansatz nicht hatte.

Den Großteil der Gesangsparts hat immer noch Oliver mit seiner mal rauen, mal sehnsuchtsvoll verwundet klingenden Stimme beigesteuert, aber in dem sanften „Don’t Look Back“ ist Chris erstmals als Leadsänger zu hören, unterstützt durch die aparte Frazey Ford von dem kanadischen Roots-Music-Trio The Be Good Tanyas. Chris schmunzelt: „Es war schon komisch, nach 18 Jahren in einer reinen Instrumentalband plötzlich vor einem Mikro zu stehen. Wenn MMW-Fans uns live sehen, heißt es: ‘Das ist das erste Mal, dass ich dich sprechen sehe, geschweige denn singen‘.“

„Wir haben eigentlich nur unsere Songs und unser musikalisches Können gepaart“, führt Chris fort. „Unsere Chemie war gut und das haben wir auf dem ersten Album festhalten können. Das ist nun schon fast zwei Jahre her und in der Zwischenzeit haben wir fast ununterbrochen gemeinsam gespielt und Songs geschrieben, da entwickelt man sich natürlich. Wir haben jetzt was anderes zu sagen, unser Leben dreht sich um andere Dinge, und wir haben unsere Anstrengungen viel mehr gebündelt. Diese kombinierte Stimme hat uns neue Wege eröffnet, und das zeichnet sich bei diesem Album ab.“

Der Prozess des Songwriting und gemeinsame Konzertreisen wurden zu wichtigen Berührungspunkten für die Brüder. Oliver erläutert: „Chris und ich leben recht weit auseinander, wir sehen uns eigentlich nur, wenn wir gemeinsam auf Tour sind. Oft fängt einer von uns mit einem Song an, mit einem Musikstück oder ein paar Textzeilen. Es hat eine Weile gedauert, aber dann haben wir uns daran gewöhnt, den anderen an einem Stück, an dem uns viel liegt, teilhaben zu lassen. Es ist eine ganz andere Herangehensweise, als wenn man sagt: ‘Hier habe ich meinen neuen Song, den spielen wir jetzt mal gemeinsam‘. Es fühlt sich für uns anders an, weil wir etwas zu verlieren haben.“

Der intensive kreative Dialog hat den beiden vor allem geholfen, eine schwierige Zeit zu überstehen. „Im letzten Frühling starb unsere Mutter an ALS, dem Lou-Gehrig-Syndrom. Sie siechte in den letzten ein, zwei Jahren nur so dahin, da war es unvermeidlich, dass das, was wir erlebten, sich auf unsere Gefühle niederschlug. Es ist eine außergewöhnliche Situation, denn wir sind Arbeitskollegen, zugleich aber auch eine Familie, und der Tod unserer Mutter traf uns beide sehr. Das hat sich fraglos auf die Musik ausgewirkt.“

„Loaded“ wird eingerahmt von „Lovin‘ Arms“ und „Still Close“, zwei sehnsuchtsvollen Stücken, die sich mit Verlust, aber auch mit spiritueller Regeneration befassen, ein Thema, das in dem Album immer wieder auftaucht. Für die Wood Brothers bietet der Blues Trost in Zeiten des Kummers. Tatsächlich haben ihre Songs eine Beseeltheit, die mit jedem Hören fesselnder und auch tröstlicher wirkt. „Postcard From Hell“ erzählt die Legende von Robert Johnson anders herum, als Geschichte eines jungen Sängers, der seinen Sound rein halten kann, indem er seine Seele vor fremden Einflüssen schützt. „Pray Enough“ ist eine humorvolle Gospel-Hymne, bei der Amos Lee als Backgroundsänger auftritt. Später auf dem Album tritt Lee noch einmal an: im Wechselgesang mit Oliver auf Jimi Hendrix‘ „Angel“. „Walkaway“ dagegen, ein mit Understatement arrangierter Shuffle, bei dem Chris‘ MMW-Kollege Billy Martin an den Drums gastiert, versprüht eine tiefe Zärtlichkeit.

Neben „Angel“ covern die Wood Brothers noch den Traditional „Make Me A Pallet On Your Floor“, jetzt ein locker vertraulicher Jam mit Donnie McCormick als Gastsänger und Percussionist, der im Rhythmus den Draht eines Hühnerkäfigs kratzt (ohne Tiere darin, wie Oliver betont). Die beschwingte Melodie von Bob Dylans „Buckets Of Rain“ entwickelt sich in einem wunderschönen langsamen Tempo zu Olivers sprunghafter Gitarrentechnik. Vor jeder Textzeile zögert er leicht, als entstünden die poetischen Verse erst in just diesem Moment. Chris schwärmt: „Oliver hat eine magische Art und Weise, hinter dem Beat zu spielen, sehr entspannt, eine dieser unglaublichen Spielweisen, die man nirgends lernen kann. Man hat’s eben oder nicht.“

Obwohl die beiden mit ihren Gastmusikern im Studio eine gute Zeit hatten, wollen sie nun wieder als simples Duo auf Tour gehen. Mit einem ganzen Arsenal an Instrumenten können sie sowohl einen gewaltigen Groove erzeugen als auch eine ganz entspannte Stimmung verbreiten. Oliver betont: „Als Duo aufzutreten hat etwas ganz Besonderes. Es ist einzigartig. Eine Band mit Drums und Keyboards sticht nicht so hervor. Es geht irgendwie auch um uns zwei, dass wir als Duo ganz schön viel Lärm machen können.“

Chris pflichtet seinem Bruder bei: „Wenn nur wir zwei unterwegs sind, sind wir flexibler, das nutzen wir zunehmend aus. Wenn man keinen Drummer hinter sich hat, kann man viel mehr mit den Rhythmen spielen, eine Phrase langsamer spielen oder schneller – alles ist irgendwie fließender.“

Dieses Jahr wird man noch einiges von den Wood Brothers hören und sehen – und dabei wird sich garantiert schnell ein besonders warmherziges und familiäres Gefühl einstellen.

VÖ: 25.04.08