The Roger Cicero Jazz Experience (+Tourtermine)

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The Roger Cicero Jazz Experience (+Tourtermine)

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TheRogerCiceroJazzExperience (California Sunset Records,
VÖ: 02.10.2015)

The Roger Cicero Jazz Experience umgeht die müßige Frage, was Jazz ist, mit der Nonchalance der versierten Neugierde. Die Band, die bereits seit zwei Jahren live unterwegs ist und allenthalben auf offene Ohren stößt, unterstreicht auf ihrem gleichnamigen Debütalbum das freiheitlich geprägte Musikverständnis ihrer vier Protagonisten. „The Roger Cicero Jazz Experience“ ist eine furios-eindringliche Liebeserklärung an den Facettenreichtum der Musik.

Am Anfang stand der Wunsch nach Wiederaufnahme einer alten Musikfährte. Roger Ciceros erste Annäherung an ein Jazz-Repertoire fand im Bundesjugendorchester statt, mit 18. Während seines Jazzgesang-Studiums in Hilversum kam Leidenschaft ins Spiel. „Männersachen“, großstrahliger Pop mit Big Band und ein ausgemachtes Charts-Abo folgten. Seine Popularität beim Publikum stand Ciceros persönlichem, weit gefasstem Musikerselbstverständnis derweil nie im Weg. 2013 schließlich erlaubte der Kalender Zeit zur freien musikalischen Dialogführung zwischen vier ausgewiesenen Charakteren – eine Tugend, für die Ciceros Big Band schlicht zu umfangreich schien. Ein erfrischend neuer Quartett-Sound entstand dabei, an dessen Genetik alle vier Musiker gleichmäßigen Anteil haben.

Obschon in definierten Genres, in Pop, Funk und Straight-ahead-Jazz zuhause, ist Schlagzeuger Matthias Meusel überaus soundmalerisch unterwegs. Mit einnehmender Puls- und Klangpräsenz, hält er das Groove-Potenzial der Band gleichsam geschmeidig und dynamisch. Maik Schott, eigentlich im Pop verorteter Keyboarder mit großem Enthusiasmus für alte Synthesizer-Schätzchen, zelebriert auf dem Album „The Roger Cicero Jazz Experience“ sein außergewöhnliches Coming Out als kompromissloser Jazz-Pianist. Die große Melodienhingabe des Quartetts wird von ihm mit beeindruckenden Stimmungen, grenzenloser Kreativität und dynamischem Tastenanschlag am Flügel in Szene gesetzt. Kontrabassist Hervé Jeanne ist der Anker der homogen-eingeschworenen Musikerbande. Mit ausgesucht einladendem Klang grundiert der mit seinem Instrument verwachsen scheinende Tieftonmeister die feinmotorische Finesse der Roger Cicero Jazz Experience. Die Stimme ihres Namensgebers darf während des Hörens des Albums neu und anders entdeckt werden. Im Kontext seiner Big Band ist stimmliche Wucht von Roger Cicero gefordert. Im Zusammenspiel des Quintetts regiert sein großes Vermögen an gesanglichen Zwischentönen, die in der vorliegenden Bandbreite bislang ungehört blieben.

Das Repertoire des Quartetts entstammt strikt egoistischen Motiven. Es kamen ausschließlich Songs in die engere Wahl, die in den vier Musikern über Jahre etwas bewegten. Zwar zählen die Klassiker „Moody’s Mood“ und „Benny’s From Heaven“ fraglos zum ewigen Jazz-Songbook, aber dem Jazz-Diktat folgt keins der Arrangements des Albums. Neue Interpretationen bekannter Song-Monolithen und freie Auffassungen scheinbar vergessener Song-Perlen kreieren Stimmungen, die nicht zuletzt ihrer Gegensätze wegen spannend klingen und berühren. Das Handwerkliche trifft auf das Sentiment, Dialog-Leitfäden stiften freie musikalische Dialogführungen an, Muskulöses ebnet Feingliedrigem den Weg, Auskomponiertes bereitet der Improvisation Platz – all das kulminiert in den Neudeutungen der Songs, die von der Roger Cicero Jazz Experience mit dem Energievolumen einer Bühnen-Performance zum Großteil live im Studio eingespielt wurden. Keiner der vier Musiker dachte dabei an Zwischendominanten, das Gefühl wurde nicht vom Kopf diktiert. Die Stärke des Repertoires ist das gute Gefühl, das bereitet wird. Es ist, als könnte man – wie einst Rilkes Malte in Paris – bekannte Songs „neu hören und sehen“ lernen.

Paul Simons „50 Ways To Leave Your Lover“ ist von bezwingender Originalität geprägt, wenn die Roger Cicero Jazz Experience vom 12/8-Takt der Strophen zum gradlinigen Swing im Refrain wechselt. Lautmalerische Klangtupfer führen Tom Waits’ „Tom Traubert’s Blues“ in eine andere Welt. Nick Drakes „From The Morning“ wird zum persönlichen Gefühlsfilm Ciceros, während James Taylors „Shower The People“ von elegantem, balladenhaftem Mehrwert geprägt ist. Zwischen Songstrukturen und freiem solistischen Ausdruck führt die Roger Cicero Jazz Experience Material aus fremder Feder weiter und formt es zu hochmelodiösen, gleichsam metrenstarken Spannungsfeldern. Immunität gegen dieses verlockende Musikerfahrungsangebot ist quasi ausgeschlossen, weil die Band um Cicero Songs, die eigentlich nicht im Jazz angesiedelt sind, in ihrem Jazz-Kontext neu erfahrbar gestaltet. Die große, längst vergessene Kunst des Arrangierens ist eine der vielen Stärken der Roger Cicero Jazz Experience. Jenseits gängiger Genre-Normen.

The Roger Cicero Jazz Experience live:

22.08.2015 Bad Zwischenahn
Park der Gärten

27.08.2015 Braunschweig
Kultur im Zelt

23.10.2015 Glauchau
Stadttheater

20.11.2015 Neuruppin
Kulturkirche Neuruppin

www.rogercicero.de