Steve Smith and Vital Information – Live: One Great Night

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Steve Smith and Vital Information – Live: One Great Night

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VI_OneGreatNight_6ppWallet_4.3.indd (Q-rious Music, VÖ: 24.08.2012)
Das CD+DVD-Set „Live! One Great Night“ präsentiert Steve Smith und Vital Information im angestammten Habitat, in ihrem „natürlichen Lebensraum“, wo sich die Spezies geborener Livemusiker nun einmal besonders wohlfühlt: auf der Bühne eines bis auf den letzten Platz gefüllten Clubs. Dort laufen die US-Amerikaner im Kontakt mit dem Publikum regelmäßig zur Höchstform auf. Am 9. November 2007 war die Musikkneipe The Mobius in Ashland, Oregon Ort des Geschehens, vor begeistert mitgehenden Zuschauern sprühten Steve Smith & Co. an jenem Abend nur so vor Einfallsreichtum. Sie hatten gerade ein Jahr auf Tournee hinter sich und waren bestens aufeinander eingetunet.

Aus Anlass des nahenden 30-jährigen Bandjubiläums im nächsten Jahr wollte Steve Elliott Smith die verschiedenen Schaffensphasen von Vital Information anhand eines besonderen Albums dokumentieren. Als er dann überlegte, welche Aufnahmen dafür in Frage kämen, fiel ihm das Konzert an der amerikanischen Westküste wieder ein, und er erinnerte sich auch daran, dass das Ganze damals synchron in einem Webcast übertragen worden war (2007 noch ein revolutionärer Vorgang). Die Tonaufzeichnung davon besaß Smith nicht, mit einem gewissen detektivischen Spürsinn konnte er sie jedoch ausfindig machen. Nicht nur das, im Verlaufe der Recherchen fiel ihm auch gleich noch ein Schwarzweiß-Filmmitschnitt des unvergesslichen Auftritts in die Hände. So wurde aus dem Vorhaben eines den Werdegang von Vital Information veranschaulichenden Albums letztlich also ein CD+DVD-Päckchen. Die DVD enthält mit „Positano“ nicht nur einen Track mehr, sie eröffnet dem Fan darüber hinaus eine zusätzliche Dimension, weil er nicht nur hört, wie die vier Musiker loslegen, sondern auch noch mit eigenen Augen deren Interaktion verfolgen kann. Steve Smith und seiner Fusion-Formation ging es an jenem Abend ja nicht darum, die Titel der Alben „Come On In“ und „Vitalization“, die den Schwerpunkt des Programms bildeten, möglichst studiogetreu wiederzugeben, vielmehr genossen sie es, ihre Spontaneität ohne Zeitbeschränkungen im Zusammenspiel und ausgiebigen Soloimprovisationen auszuleben. Steve Smith über das Selbstverständnis seiner Gruppe: „In unserer Musik kann sich jeder individuell ausdrücken und neu erfinden. Mittels Swing, Groove und viel Kreativität blühen wir so richtig auf. Wir wollen uns gegenseitig an jedem Abend auf der Bühne mit neuen Ideen überraschen und das Publikum in den Moment des Kreativprozesses miteinbeziehen.“
All das ist auf „Live! One Great Night“ mitreißend festgehalten. Schon nach wenigen Takten erlebt man, wie das Quartett ohne Anlaufphase in den höchsten Gang schaltet, danach sämtliche Stopp-Signale am Wegesrand ignoriert und vor lauter Leidenschaft und Inspiration kaum zu bremsen ist. In einer äußerst abwechslungsreichen Setlist lässt Vital Information noch einmal all die Stilrichtungen Revue passieren, die sich die Band seit dem Debütalbum im Jahr 1983 angeeignet hat. Das Spektrum reicht dabei von Fusionjazz in der Nachfolge von Weather Report („Cat Walk“) und Postbop („Time Tunnel“) über Funk („Seven And A Half“, „The Trouble With“) über klassischen Swing samt walking bass („The Closer“) bis zum Blues-Shuffle („Jimmy Jive“). In zwei „Interwoven Rhythms“ genannten Zwischenspielen ist zudem zu hören, wie Steve Smith und Vinny Valentino nur mit Mund und Stimme indische Konnakol-Rhythmen produzieren (seit mehreren Jahren ein Steckenpferd des Bandleaders).
Steve Smith ist voll des Lobes über seine Kollegen. Zu Baron Brownes bemerkenswerter Wandlungsfähigkeit etwa merkt er an: „Baron bringt ein amtliches Groove-Element in die Band ein. Er ist der Bassist, mit dem ich am liebsten zusammenspiele, weil er alle Stile drauf hat. Bei ihm fühlt sich einfach jede Musik gut an.“ Der derart Gepriesene hat zuvor schon mit Größen wie Gary Burton, Billy Cobham und Tom Jones zusammengearbeitet. Keyboarder Tom Coster, der vom Synthesizer über die Hammond B3 bis zum Akkordeon sämtliche Tasteninstrumente beherrscht, spielte unter anderem mit dem ungarischen Gitarristen Gábor Szabó und dem legendären Saxophon-Solitär Rahsaan Roland Kirk, bevor er an der Seite von Carlos Santana zu Weltruhm gelangte. Bei ihm blieb er neun Jahre und steuerte in der Zeit als (Co-)Autor einige der bekanntesten Santana-Stücke bei, darunter „Europa“, „Dance Sister Dance“ und „Carnaval“. Des Weiteren hat Coster mehrere Solowerke herausgegeben, bevor er 1986 Mitglied von Vital Information wurde. Vinny Valentino schließlich stieß erst 2006 zur Band. Er fand als Jugendlicher über sein Vorbild George Benson zum Jazz, wie er sich noch heute schwärmend erinnert: „George Benson live zu hören, war ein Wendepunkt für mich, diese Erfahrung hat mir wirklich die Augen geöffnet.“ In den vergangenen Jahren ist zwischen dem jungen Gitarristen und seinem Mentor eine tiefe Freundschaft entstanden, Benson bezeichnet seinen ehrgeizigen Schüler gar als „junges Genie mit einem brillanten Ton und frischen Ideen“. Sein Jazzstudium an der Howard University in Washington, D.C. hat Vinny Valentino mit einem Bachelor Of Music abgeschlossen, danach engagierten ihn vom Fleck weg die Jazzstars Randy Brecker, John Patitucci, Bob Moses und Steve Gadd.
Die Profikarriere von Steve Smith begann schon Mitte der 1970er Jahre, seine Begeisterung fürs Schlagzeugspiel geht aber freilich noch viel weiter zurück. Bereits im Kindesalter stand er immer begeistert irgendwo am Straßenrand, wenn bei Festtagsparaden die Trommler von Marschkapellen vorbeizogen. Im Alter von neun Jahren erhielt er den ersten Schlagzeugunterricht, nach der Highschool studierte er dann am Berklee College Of Music in Boston. Noch während der Ausbildung heuerte er 1974 bei Bebopper Buddy DeFranco an, zwei Jahre später holte ihn Geiger Jean-Luc Ponty zu sich und spielte mit dem Nachwuchskünstler an den Drums den Fusion-Meilenstein „Enigmatic Ocean“ ein. 1978 fragte die seinerzeit international gefeierte Band Journey bei ihm an, bis 1985 unternahm er mit ihr Welttourneen und Studioabstecher („Escape“, „Frontiers“). Anschließend gründete Smith die Gruppe Vital Information und fand nebenher noch die Zeit für Gastspiele bei Bryan Adams, Mariah Carey, Zucchero, Dweezil Zappa, Steps Ahead, Ahmad Jamal, Zakir Hussain, Hiromi und Stanley Clarke. Erst kürzlich wurde der 57-jährige vom Modern Drummer Magazine zum „#1 Fusion Drummer“ gekürt.
Die CD/DVD-Kopplung „Live! One Great Night“, die sich nebenbei bemerkt in den Billboard-Jazz-Charts bereits auf Position 22 platzieren konnte, ist nun ein wunderbarer Beleg für die Weiterentwicklung von Steve Smiths Lieblingsprojekt. Seitdem Weather Report und das Zawinul Syndicate nicht mehr existieren, ist es wohl primär Aufgabe von Vital Information, den Fortgang des Fusionjazz mit neuen Impulsen voranzutreiben. Das gelingt so gut, dass der populäre Jazz-Journalist Bill Milkowski (Jazzthing, JazzTimes, Guitar Player usw.) gar zu Superlativen griff, um die künstlerische Leistung der Gruppe zu beschreiben: „Es gibt keine flexiblere und diszipliniertere ‚band of killer players’ in der heutigen Jazzszene als Vital Information.“