Stefano Di Battista – Trouble Shootin’

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Stefano Di Battista – Trouble Shootin’

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cover_treouble_web.jpgZehn Jahre ist es her, dass der italienische Saxophonist Stefano di Battista sein erstes Album als Bandleader vorlegte. So freigeistig wie auf „Trouble Shootin‘”, seinem nunmehr fünften Album für Blue Note, hat er sein virtuoses Können, das ihn zu einem der international renommiertesten Jazzer seines Landes gemacht hat, jedoch noch selten eingesetzt. Die elf Tracks des an einem einzigen Tag eingespielten Albums bilden eine wahre tour de force. Rund um das muntere Wechselspiel di Battistas zwischen Alt- und Sopransaxophon führt die so delikate wie abwechslungsreiche Route durch diverse Stile und Perioden der Jazzhistorie: vom entfesselten Bebop zum völlig entspannten Bossa Nova, vom psychedelischen Jazzrock zur samtenen Orchestrierung à la Ellington. Stefano di Battista mag ein Energiebündel auf seinem Instrument sein, er hat aber auch ein intuitives Gespür für seine Mitspieler. Zudem konnte der Mannschaftskapitän diesmal überraschend auf einen Trainer vertrauen: Michael Cuscuna, New Yorker Jazzkoryphäe und Blue-Note-Hausproduzent in Personalunion, gab sich die Ehre und flog zu den denkwürdigen Aufnahmen nach Paris.

„Zum ersten Mal überhaupt habe ich akzeptiert, bei Aufnahmen geführt zu werden”, gesteht Stefano di Battista. „Ich habe mich aber auch von Cuscuna bestärkt gefühlt. Er hat das weitsichtige Auge eines großen Künstlers, mit einem kurzen Blick verschafft er sich einen präzisen Eindruck vom Gesamtbild.” „Trouble Shootin‘” – bestehend aus acht Kompositionen des Saxophonisten und vier Coverversionen – dokumentiert ebenso die Spannung, die bei den Aufnahmen geherrscht hat, wie die Tatsache, dass Stefano di Battista sich sichtlich fallen lassen konnte. „Ich habe immer wieder daran gedacht, was Thelonious Monk mal gesagt hat. Pfeif auf die Sicherheit, lass alles wie zufällig beginnen. Ich habe einfach losgelegt und mich gehen lassen; eine ganz neue Farbe auf meiner Palette.”Battista2_web.jpgTatsächlich lernen wir hier einen neuen di Battista kennen – einen Musiker, der sich nicht mehr als akrobatischer Virtuose beweisen muss (da ist sein Charlie-Parker-Tribute-Album „Parker’s Mood” von 2004 der klingende Beweis) und der auch nicht mehr auf der Suche nach dem perfekten Sound ist. Auf „Trouble Shootin‘” steht die Intuition im Vordergrund, di Battista geht in dem Sextett vollkommen auf. In „Under My Spell” klingt sein Sopran ganz so, als käme der Blues aus den verruchtesten Winkeln der Südstaaten. Den fast heiser aufgekratzten Saxophonwellen setzt Fabrizio Bosso hier sein archaisches Trompetenspiel entgegen. Die erotisch aufgeladene Dschungelatmosphäre erfährt mit dem psychedelischen „The Jody Grind” noch eine Steigerung. Hier ist es die Kombination aus Altsaxophon und dem Hammondorgelspiel von Baptiste Trotignon, die dieser freien Interpretation einer Horace-Silver-Komposition einen besonderen Ãœberraschungseffekt verleiht und bei der man sich auf eine Party in St Tropez in den späten Sechzigern versetzt fühlt.

Die von John Coltrane, speziell dessen Africa-Brass-Improvisationen inspirierte Ballade „The Serpent’s Charm” zählt zweifellos zu den Highlights des Albums. Diese fließende Konversation für sechs Stimmen gewährt jedem Musiker gleich viel Raum, so dass das beschwörende Flötenspiel von Nicola Stilo und das präzise und fesselnde Schlagzeug von Eric Harland ebensoviel Glanz versprühen wie das erhabene Sopransaxophon von di Battista. Acht Minuten, die in einem wahrlich ekstatischen Crescendo münden. Ganz introvertiert, nahezu melancholisch ist dagegen der Bossa Nova „Echoes Of Brazil”, bei dem Gitarrist Russell Malone atemberaubende Akzente setzt. Die farbenprächtigste Aufnahme der Session ist „Essaouira”, ein Stück, das die Atmosphäre der marokkanischen Hafenstadt wunderbar einfängt. Stefano di Battista hat es sich bei diesem Feuerwerk exotischer Klänge nicht nehmen lassen, den Evergreen „Caravan” mit einzuflechten. „Ich wollte diesem Stück die Verrücktheit und Verwirrung eines Basars in Essaouira verleihen, mit all seinen Irrgängen, Gerüchen und dem organisierten Chaos, das perfekt ist, um sich zu verlieren.” Sich verlieren respektive sich versenken ist auch die beste Empfehlung für den Hörer, um „Trouble Shootin‘” zu einem puren Genuss zu machen. Eine weitere traumwandlerische Höchstleistung im Gesamtwerk von Stefano di Battista.

Battista1_web.jpgSchon in jungen Jahren genießt der 1969 in Rom geborene Musiker eine beachtliche Reputation. Mit sechzehn Jahren findet Stefano di Battista zum Jazz (zu seinen Vorbildern zählen Charlie Parker, Art Pepper und Cannonball Adderley); mit 21 Jahren schließt er sein preisgekröntes Studium am römischen Musikkonservatorium ab; 1994 geht er nach Paris, avanciert dort zum Starsolisten des ONJ (Orchestre National du Jazz) und wird später von Michel Petrucciani engagiert. Als Mitglied des Petruccianni-Sextetts rückt er auch erstmals in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Mit „Volare” erscheint 1997 die erste Leader-Aufnahme. Knapp ein Jahr später unterschreibt di Battista bei Blue Note, wo er die von der Kritik hochgelobten Alben „A Prima Vista” (1998) „Stefano di Battista” (2000) und „Round About Roma” (2002) veröffentlicht. An den beiden letztgenannten Werken wirkt noch der legendäre, im Jahr 2004 verstorbene Coltrane-Schlagzeuger Elvin Jones mit, der mit Stefano di Battista eng befreundet war. Während di Battista mit „Parker’s Mood” seinem großen Vorbild Charlie Parker die Ehre erweist, zeugt die lyrische Finesse von „Trouble Shootin‘”, dass er auch zum Spirit von John Coltrane einen brillanten Zugang gefunden hat.

VÖ: 26.10.07