Robin McKelle – The Looking Glass

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Robin McKelle – The Looking Glass

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(Doxie Records, VÖ: 25.03.16)

Musikalische Nostalgie in moderne Form zu bringen und sie mit Jazz- und Seelengesang anzureichern, schafft Unvergänglichkeit. In Frankreich und in ihrer amerikanischen Heimat, genießt die 39-jährige Robin McKelle dank des berührenden Tiefgangs ihrer Mezzosopran-Stimme längst hohes Ansehen. Ihr wird die Ehre zuteil, regelmäßig ausverkaufte Konzerte im »L’Olmypia«, der Ruhmeshalle des französischen Chanson, zu geben. Zehn Jahre nach ihrem Platteneinstand mit »Introducing Robin McKelle“, auf dem sie den Big Band Jazz der 1940er-Jahre huldigte, debütiert die Frau aus Rochester, New York, noch einmal. Mit ihrem sechsten Album »The Looking Glass« präsentiert sich Robin McKelle erstmals als formvollendete Songwriterin. 10 neue, ausschließlich selbstgeschriebene Songs, die ganz im Zeichen der Erneuerung ihrer Kreativkraft stehen, hat McKelle zusammen mit dem Grammy-prämierten Joss Stone-Frühentdecker Steve Greenwell produziert. »The Looking Glass« beleuchtet McKelles Charakter intimer, aber ihre Musik nimmt sich deswegen keineswegs weniger leidenschaftlich aus. Ganz im Gegenteil, präsentiert McKelle, unterstützt von Drummer George „Spanky“ McCurdy (Jill Scott), Bassist Jack Daley (Lenny Kravitz), Pianist Raymond Angry (Prince, The Roots) und Gittarist Al Street (Sharon Jones & The Dap Kings), die tief im klassischen Soul verwurzelte, kaleidoskopische Bandbreite ihrer genuinen musikalischen Sprache. »Stand Up«, die erste Singleauskopplung, gibt mit leichtfüßigem Groove den Impuls vor, dem Robin McKelle mit »The Looking Glass« folgt: »Stand up and make it matter!«. Wie wichtig und richtungsweisend »The Looking Glass« für sie ist, erzählt Robin McKelle am treffsichersten mit eigenen Worten.

Liebe Freunde,

der Blick in den Spiegel kann flüchtig sein oder zur Herausforderung werden. Als ich mit der Arbeit zu meinem neuen Album »The Looking Glass« begann, nahm ich mein gestecktes Ziel, sämtliche Songs eigenhändig zu schreiben, zum Anlass, mich ernsthaft auf selbstreflektierende Fährte zu begeben. Was folgte, war ein langer Prozess, während dem ich mich selbst immer wieder aufs Neue forderte. Ich betrachtete Seiten meiner Seele, die ich bislang für vernachlässigbar hielt, um stärker aus mir selbst schöpfen zu können. Das Bild der Selbstspiegelung erschien mir immer logischer, je länger ich in mir forschte. Es lag also auf der Hand, das Album »The Looking Glass« zu nennen. Einen konzeptionellen Plan für den musikalischen und inhaltlichen Charakter der Platte hatte ich allerdings nicht, als ich mit dem Songschreiben begann. Es gab reichlich Höhen und Tiefen, während die Songs entstanden, weil mir oft nicht unmittelbar klar war, in welche Richtungen sich die Kompositionen bewegten. Aber das Gefühl, mit der Musik auf dem Weg zu sein, verlieh dem Schreiben andererseits eine Frische, die ich in dieser Form vorher nicht kannte. Aus jeder Frustration entsprang letztendlich eine Form von Mut, die mich als Künstlerin, Sängerin und Songschreiberin enorm weiter brachte. Wir alle gehen Herausforderungen lieber aus dem Weg, statt sie als Wegweiser zu begreifen. Rückblickend betrachtet, bin ich froh, mich für dieses Album auf viel Neues eingelassen zu haben. »The Looking Glass« ist zweifellos mein bislang ehrlichstes, leidenschaftlichstes und persönlichstes Album geworden, weil ich mir und der Musik erlaubte, wachsen zu können. »The Looking Glass« ist auch mein Debütalbum als Storyteller.

Der Song »Get Back Yesterday« erzählt vom Glorifizieren und Verklären der Vergangenheit. Wenn man zu sehr an Altem festhält, kann man sich Neuerungen nicht öffnen. Ich reflektierte eine Beziehung als ich den Song schrieb, stellte aber fest, dass ich mir mit ihm auch Mut zum Loslassen von alten musikalischen Strukturen machte, um weiter kommen zu können. Ironischerweise klingt der Song hier und da wie eine Reminiszenz an Carole King und die Carpenters, die oft in meinem Elternhaus gespielt wurden. Als ich den Song einsang, erinnerte ich mich an die Gerüche der Umgebung in der ich aufwuchs. Musik hat diese unerklärbare Kraft, endlos viele sinnliche Erlebnisse wach zu rufen. Den Gedanken äußerte ich kürzlich einem Journalisten gegenüber, der mich prompt fragte, mit welchen Gerüchen ich »The Looking Glass« assoziieren würde und ich antwortete, dass es mich an das Odeur von frisch gemähtem Gras erinnert, weil die Entstehung der Platte etwas erneuerndes, Frühlingshaftes besaß. Ich schrieb das Album im letzten Winter und wir hatten oben, daheim im Nordosten der U.S.A., einen harten, kalten Winter. Ich verließ mein Haus und Piano tagelang nicht, weil ich überaus fokussiert arbeitete. Nachbarn brachten mir das Abendessen und der Geruch vom glimmenden Kaminholz hängt mir immer noch in der Nase. Nach drei Monaten umgeben von Schnee, brach buchstäblich der Frühling an, als ich in einem New Yorker Studio die Songs, an denen ich intensiv gearbeitet hatte, Musik werden ließ. Aber selbst an diesem Punkt der Album-Entstehung wusste ich mitunter nicht, welche Färbungen bestimmte Songs annehmen wollten. Steve Greenwell brachte unter anderem an diesem Punkt seine Produzenten-Expertise ein. Er riet mir, den Songs so lange Platz zum Entfalten zu geben, bis der jeweilige Song uns vorgab, wohin wir ihn musikalisch tragen sollten. Wir probierten viele unserer Lieblingssounds aus. Mein Gitarrist Al Street fuhr all die wunderbaren 70s-Sounds auf, die Lieder jener Ära prägten, als Rock- und Pop-Hits noch von unglaublich guten Musikern eingespielt wurden. Ray Angry, unser Pianist und Keyboarder, der schon für Prince und The Roots spielte, reichert die Songs mit wunderbar-warmen Vintage-Sounds an. Sein Synth-Solo veredelt den Eröffnungssong »Gravity«.

Ich überlasse es dem geneigten Zuhörer, mein neues Album zu kategorisieren – sofern er es überhaupt kategorisieren will. Mir war bewusst, dass ich das Studio mit beseelten Songs betrat und gemeinsam mit Steve Greenwell trug ich Verantwortung dafür, dass auch die fertig aufgenommene, abgemischte und gemasterte Platte Seele und Charakter besitzt. Wir versuchten deshalb, so organisch wie möglich zu arbeiten. Aufnahmestudios können extrem sterile Orte sein, in denen man sich ständig unter mikroskopischer Beobachtung wähnt. Diese Atmosphäre kann jedwede Form authentischen Ausdrucks buchstäblich aus Performances heraussaugen. Wir haben darauf geachtet, dass jeder Sound, jedes Instrument genügend Raum zur Entfaltung bekommt. Mein Gesang ist überall präsent auf der Platte, aber ich übersinge nicht. Die von mir selbst eingesungenen Chöre sind wohlplatziert, um jedwede Form manierierten Gesangs machte ich einen großen Bogen. Alles klingt direkt, es gibt kein großes technisches Brimborium, das von der unmittelbaren Performance ablenkt, wenn man das Album hört. Unser Drummer George „Spanky“ McCurdy groovt exakt und mit jener Eleganz, die unbedingt präsent ist, aber nicht allen Platz für sich beansprucht. Ähnlich begreift auch Jack Daley, unser Bassist, der früher an der Seite von Lenny Kravitz in die Saiten griff, seine Bestimmung in unserem musikalischen Setting. Gemeinsam folgten wir der Maxime, dass Weniger meistens Mehr ist.

Mich hat die Arbeit an meinem ersten ausschließlich selbstgeschriebenen Album in kreativer und auch in persönlicher Hinsicht revitalisiert. Es wäre mir eine Freude, wenn jeder einzelne Zuhörer seine eigene Geschichte in meinen erzählten Geschichten platzieren würde. Raum dafür haben wir auf »The Looking Glass« gelassen.

Viel Freude beim Hören,

Robin McKelle