Nigel Kennedy – Vivaldi – The New Four Seasons

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Nigel Kennedy – Vivaldi – The New Four Seasons

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NigelKennedy_TheNewFourSeasons (Sony Classical, VÖ: 09.10.2015)

Die 1989 von Nigel Kennedy veröffentlichte Einspielung von Vivaldis Vier Jahreszeiten ist das meistverkaufte Klassik Album aller Zeiten. Kennedy selbst sagte damals über diese Aufnahme, er habe die berühmten vier Violinkonzerte von Vivaldi bewusst weder »authentisch« mit alten Instrumenten noch in einem schwülstigen »romantischen« Stil spielen wollen. Er habe sich als Maxime gesetzt, »jede erdenkliche mir bekannte Technik« zu nutzen, um den Hörern sein Gefühl für diese Musik zu vermitteln. Auch glaube er nicht, dass die Vier Jahreszeiten überhaupt zeitbezogen seien, denn »was sie uns bieten, geht weit über das rein Historische hinaus«.

Jetzt, im Jahr 2015, wendet sich Kennedy den Vier Jahreszeiten abermals zu – mit einer völlig neuen Interpretation. Und mag die Musik auch radikal anders klingen – seine künstlerische Einstellung ist doch dieselbe geblieben. Wieder zeigt Kennedy, dass die Vier Jahreszeiten eine universelle, vom Zeitgeist unabhängige Musik sind. Seiner Meinung nach gibt es keinen Grund, Vivaldis Meisterwerke nicht modernen Instrumenten oder Musikstilen zu öffnen, an die in Vivaldis barocker Welt noch gar nicht zu denken war. Jeder fortschrittlich denkende Komponist, so argumentiert Kennedy, hätte nur zu gern mit den Möglichkeiten ausdrucksstärkerer oder ausgefeilterer Instrumente gespielt, wenn sie ihm nur zur Verfügung gestanden hätten.

Grundlegend für Kennedys Ansatz ist das programmierte Schlagzeug von Damon Reece (Massive Attack), das dem markant artikulierten Spiel von Kennedys Orchestra of Life einen hypnotischen Puls unterlegt. Dieses handverlesene Ensemble aus jungen Musikern unter der Leitung von Lizzie Ball fügt sich perfekt in Kennedys experimentierfreudige Philosophie. Das Orchester folgt allen Höhenflügen seiner Inspiration und ist gleichzeitig Garant dafür, dass seine Verbindung zu Vivaldis Vorlage niemals abreißt.

Aber Kennedy erlaubt sich auch manche Freiheit. Er ergänzt beispielsweise die Aufnahme mit Gedichten, die Vivaldis von der Musik beschworene Natur- und Landschaftsbilder in Worte fassen. Kennedy hat diese Gedichte musikalisch selbst vertont und lässt sie hier von einem Vokalquartett (bestehend aus Zee Gachette, Xantone Blacq, Kakie Taylor-Black und Lucy Potterton) singen. Ferner hat bei Kennedy das Standard-Tasteninstrument der Vivaldi-Zeit, das Cembalo, ausgedient. Er verwendet die moderneren Nachfolger: Klavier und Hammond-Orgel.

Vivaldis Vier Jahreszeiten, richtig, aber so, wie wir sie noch nie gehört haben. Rhythmus, Klang und Besetzung haben sich verändert, und die Erweiterung um Singstimmen und Elektronik verleiht der Musik zweifellos eine neue Dimension. Aber Kreativität bedeutet schließlich Wandel, und wenn eines für Nigel Kennedy niemals infrage käme, dann Stillstand.