Manu Katch̩ РUnstatic

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Manu Katch̩ РUnstatic

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Cover album Manu Katché Unstatic

(Anteprima Productions, VÖ: 11.03.2016)

Manu Katché kennt als Lieblingsschlagzeuger der Pop-Eliten der 80er- und 90er-Jahre sämtliche der noch existierenden schicken Recording-Schuppen der Welt. Seitdem Peter Gabriel zum delikaten Shuffle Manu Katchés den »Sledgehammer« kreisen ließ, Sting in seiner »…Nothing Like The Sun«-Deklaration auf die Groove-Expertise des Franzosen vertraute und Tears For Fears seinen beeindruckenden Metrenwechseln im »Badman’s Song« sattsam Platz boten, ist das Trommeln des Umtriebigen auf Abermillionen verkaufter Platten zu hören. Für die Aufnahmen seines neuen Albums »Unstatic« buchte Manu Katché kein funktionales Hightech-Studio, sondern einen Raum der Pariser Studios Ferber, die wegen ihres gebrochenen Charmes von Verweigerern der digitalen Moderne gerne als „vintage“ bezeichnet werden. Dort zockten einst die singenden französischen Nationalheiligtümer Charles Aznavour, Gilbert Bécaud und vor allem Serge Gainsbourg zwischen Aufnahmesessions am längst defekten, aber nie entsorgten »Casino Royale«-Glücksspielautomaten. Katché bat seine Freunde Ellen Andrea Wang (Kontrabass), Jim Watson (Akustisches Piano und Keyboards), Luca Aquino (Trompete), Nils Landgren (Posaune) und Tore Brunberg (Saxofon) allerdings nicht aus nostalgischen Gründen ins Ferber. Die Raumakustik-Bedingungen der Studios Ferber bieten mit ihren Eichenholzverkleidungen beste Aufnahmebedingungen für einen wie Katché. Er legt seit jeher gesteigerten Wert auf die ideale Balance zwischen akustischen Instrumenten und den sorgsam genutzten elektrischen Instrumenten, die in seiner Musik eine Rolle spielen.

»Unstatic«, der Albumtitel, ist ein Paradoxon, wie Katché schmunzelnd erklärt: »Im Studio waren wir von Elektrizität umgeben und ich wurde während der Aufnahmen häufig mit elektrischer Ladung konfrontiert. Einzig, wenn ich Trommelstöcke hielt oder meinen Musikern die Hand gab, konnte ich sicher sein, keine gewischt zu bekommen. Also kam ich auf die Idee, das Album ‚Unstatic’ zu nennen. Auch, weil es das Wort im Englischen gar nicht gibt. Jeder einzelne Zuhörer ist dazu eingeladen, sich seinen Reim darauf machen, was der Titel im Kontext meiner Musik bedeuten könnte.« Offensichtliche Titel-Erklärungen sind in den elf neuen Katché-Kompositionen schnell gefunden. Da sind die sich kontinuierlich wandelnden Bassläufe Ellen Andrea Wangs, die das gleichförmig getaktete Titelstück augenscheinlich auch rhythmisch überaus lebendig-abwechslungsreich gestalten. Die solistischen Stärken jedes einzelnen Musikers werden in Katchés Arrangements nicht zum Monologisieren, sondern zum äußerst temperamentvollen Band-Dialog angeregt, der alles andere als statisch klingt. Und auch die Reihenfolge der durchweg kurzweilig inszenierten Stücke setzt einen Kontrapunkt zum Stillstand, zur Statik. Anfang und Ende des Albums, die Rumba »Introducción« und die Ballade »Presentation«, lassen den Zuhörer im Lauschen einer Bühnendarbietung, eines Konzerts wähnen, wenn der Bandleader ganz am Schluss der Platte zum Mikro schreitet und jeden einzelnen seiner Mitmusiker über einem kleinen, unaufgeregten Wurlitzer-Thema vorstellt. Katché selbst unterstreicht mit seinen nonchalant gesetzten Groove-Fährten, welch geradezu singende Aussagekraft Trommeln unter seiner Drummer-Ägide besitzen.

»Natürlich kann man den musikalischen Duktus meines neuen Albums mit dem Begriff ‚Jazz’ umschreiben. Aber mir erscheint der Terminus ‚Jazz’ zunehmend anachronistisch für die Art intuitiv gestalteter und gespielter Musik, die sich immer weiter bewegt und beständig erneuert«, sagt Katché. »Die befindet sich im beständig evolutionären Prozess. Wenn ich im Rahmen von Jazzfestivals auftrete, erlebe ich blutjunge Musiker, die sich der Jazz-Tradition zwar bewusst sind, denen aber die ständig nach Erneuerung und Erweiterung Ausschau haltende Rockmusik der 70er-Jahre ein großer musikalischer Wegweiser zu sein scheint. Um Grenzen überwinden zu wollen, muss man Grenzen erst mal akzeptieren. Auf ‚Unstatic’ greife ich das grenzenlose Selbstverständnis der 70s-Rockmusik auf und platziere es im improvisationsfreudigen Kontext des Jazz. Jazz im Jahr 2016 besitzt eine andere, für das Jetzt geltende, Aussagekraft als der Jazz in den 1950er-Jahren.« Bei allem Augenmerk auf kontemporäre musikalische Fährten, die Katché auf »Unstatic« als Bandleader beschreitet, bleibt er seiner Komponistenhandschrift in den elf neuen Stücken unbedingt treu. Die Musik besitzt ansprechend-einnehmenden Charakter, der allerdings nur scheinbar über den rhythmischen und strukturell reich gesäten, vielschichtigen Boden hinwegtäuscht, auf dem sie fußt.

Für »Unstatic«, das Debütalbum auf dem Label seiner Booking-Agentur »Anteprima«, setzte sich Katché, wohlwissend, dass musikverwöhnte Ohren immer auch an Sounds interessiert sind, mit dem Wunsch nach einer veränderten Klangästhetik auseinander. Mithilfe des kanadischen Tontechnikers Tony Gendron, zeichnet der selbsternannte »Coloriste« Katché auf »Unstatic« ein Portrait, in dem klare Strukturen den Blick fürs Detail- und Nuancenreiche schärfen. Alles korrespondiert mit allem auf »Unstatic«. Die individuellen Sounds der Instrumentalisten vitalisieren Katchés Kompositionen. Er gibt als Bandleader und Drummer die Kraft vor, der sein Ensemble und das jeweilige Stück folgen. Wählt er muskulöse Anschläge, sitzt er im Zentrum eines musikalischen Kraftwerks. Spielt er Pianissimo, beleuchtet sein Ensemble die Räume, in denen sich die Kompositionen abspielen, mit behutsamer Strahlkraft und schafft damit perfekte Voraussetzungen für den langsamen Aufbau des gospelartigen »Blossom«. Die Ballade »Daze Days« ist genau das nicht, was der belustigend-ironische Titel vorgibt. Auch hierin gibt der Komponist Katché klare Strukturen vor, die seine Musiker-Freunde mit ihren solistischen Farbpaletten zu einnehmend-einladenden Klangwerken mitgestalten und erweitern. Elektrisierend im Aufbau, melodiös in seiner Ausweitung, äußerst vital im spieltechnischen Umfang, liefert »Unstatic« Zeugnis darüber ab, wie ungebrochen energetisch und modernistisch sich Manu Katché seiner Seelenangelegenheit Musik nach mehr als 35 Jahren professioneller Karriere annimmt.