Jean-Philippe Rameau – Zaïs • Hippolyte et Aricie

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Jean-Philippe Rameau – Zaïs • Hippolyte et Aricie

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Rameau (Crystal Classics, VÖ: 01.05.2011)
Als Jean-Philippe Rameau 1733 mit fünfzig Jahren seine erste Oper Hippolyte et Aricie auf die Pariser Bühne brachte, erwartete niemand, dass der bis dahin wenig bekannte Komponist in den folgenden 25 Jahren über zwanzig musikdramatische Werke herausbringen und enthusiastisch gefeiert werden würde. Im Unterschied zur italienischen Oper des 18. Jahrhunderts steht in der französischen nicht der virtuose Gesang im Zentrum. Die Musik hat ihren Ort in erster Linie in den Divertissements, Ballett- und Chorszenen mit aufwändiger szenischer Ausstattung.

Sie dienen der psychologischen Vertiefung der Handlung oder der Einführung neuer Ausdrucksdimensionen und setzen sich aus solistischen Airs, Chören, programmatischen Orchestersätzen (sogenannte symphonies) und Tänzen zusammen. Im Laufe der Zeit bildeten sich bestimmte szenische und musikalische Topoi heraus: Stürme, Schlummerszenen, das Auftreten böser Träume, herabschwebende Gottheiten, Unterweltszenen. Während die Sprachbarriere die Rezeption der französischen Oper außerhalb Frankreichs bis heute einschränkt, sind es die instrumentalen Stücke aus den Divertissements, die dank ihrer kunstvollen Orchestrierung und vielseitigen Tanzrhythmen Eingang in die Konzertprogramme finden.
Hippolyte et Aricie basiert auf Racines Tragödie Phèdre, in deren Mittelpunkt die zerstörerische Leidenschaft Phèdres zu ihrem Stiefsohn Hippolyte steht. Die Oper führt ein großes Spektrum von Leidenschaften vor, indem sie neben die monströse Liebe Phèdres die zärtliche Zuneigung zwischen Hippolyte und Aricie stellt. Die Ouvertüre in d-moll, der Tonart Phèdres, zeigt die tragische Dimension der Leidenschaft. Galante Formen der Liebe – galant war ein Ideal der Zeit und umfasste maßvolle Zurückhaltung, aber auch Empfindsamkeit und Zärtlichkeit – bestimmen den Prolog, in dem Amor auftritt, und die Beziehung zwischen Hippolyte und Aricie. Die zugehörigen Tanzsätze und Airs umfassen Ausdrucksdimensionen zwischen drängender Sehnsucht und entspannter Freude, mit Holzbläsern und Streichern abwechslungsreich instrumentiert. Einen Kontrast dazu bilden die dem Unterweltsakt entnommenen Sätze, in denen Rameau mit spezifisch dunkler Instrumentation, stampfenden Rhythmen und teils rasanten Tempi die Wut der Furien und Unterweltsgötter malt.
Das Ballet héorique Zaïs (Text: Louis de Cahusac) verbindet ein typisch pastorales Sujet, die Liebe eines Genius zu einer Hirtin, mit freimaurerischen Ideen, nämlich der Entstehung der geordneten Welt aus dem Chaos in Ouvertüre und Prolog. In der Ouvertüre charakterisiert Rameau durch zusammenhanglose Reihung musikalischer Bausteine – Skalen, Dreiklänge, Repetitionen – das Chaos. Auch in Zaïs erscheint Amor im Prolog, um die Genien mit seinem Feuer bekannt zu machen. Der Luftgeist Zaïs gewinnt, als Hirte verkleidet, die Liebe der Hirtin Zéleide, will jedoch die Ernsthaftigkeit ihrer Zuneigung durch verschiedene Proben bewiesen sehen. Zéleide erweist sich den Verführungsversuchen gegenüber immun und wird mit Unsterblichkeit belohn. In den künstlerischen Darstellungen der pastoralen Welt im 18. Jahrhundert manifestiert sich die Sehnsucht der Hofgesellschaft nach einem natürlichen, friedvollen Leben. Rameaus Musik malt jedoch keine Idylle, sondern enthält bereits die Gewissheit um die Unmöglichkeit ungetrübten Glücks. Dissonanzenreiche, spannungsgeladene Harmonien, die polyphone Verflechtung von Stimmen oder kontrastreiche Gegenüberstellung von Dur- und Mollabschnitten kennzeichnen die meisten Sätze. Zu den graziösen Tänzen voller Innenspannung bilden rhythmisch lebhafte, vollstimmige Sätze einen wirkungsvollen Gegensatz.
Dr. Philine Lautenschläger

1996 gründet Michi Gaigg gemeinsam mit der Oboistin und Blockflötistin Carin van Heerden das L’Orfeo Barockorchester und scharte damit ein veritables Klangkollektiv um sich, das in historischer Informiertheit immer wieder von neuem eine ureigene Art des Musikmachens offenbart. Entdeckungsdrang, die lebendige Pflege eines Repertoires, das von den Suiten des französischen Barock über die Sinfonia des musikalischen Sturm und Drang bis zur Literatur der Klassik und der frühen Romantik reicht, vertrautes Zusammenklingen und ein farbenreich beredtes Klangdasein sind unverkennbare Hörmerkmale des L’Orfeo Barockorchesters, als dessen Epizentrum und Prima Inter Pares Michi Gaigg mit der Geige in der Hand oder als Dirigentin fungiert. L’Orfeo erhebt eine unüberhörbar markante Stimme – zahlreiche Preise für ihre umfassenden CD-Einspielungen – von Diapason, Pizzicato (“Supersonic Award”), Le Monde de la Musique, Fono Forum, Radio Österreich 1 (“Pasticcio-Preis”) bis hin zum Deutschen Musikpreis “Echo Klassik” – wissen dies zu unterstreichen.
(www.lorfeo.com)

Entscheidende Impulse für ihren musikalischen Werdegang erhielt die österreichische Dirigentin und Orchesterleiterin Michi Gaigg während ihres Studiums am Salzburger Mozarteum in den Vorlesungen von Nikolaus Harnoncourt um sich anschließend bei Ingrid Seifert und Sigiswald Kuijken der Barockvioline zuzuwenden. Michi Gaigg sammelte wertvolle Erfahrungen in international renommierten Ensembles wie London Baroque sowie unter Frans Brüggen, Alan Curtis, Christopher Hogwood, René Jacobs, Ton Koopman und Hermann Max bevor sie 1996 zusammen mit Carin van Heerden das L’Orfeo Barockorchester gründete.
Seit 1994 unterrichtet Michi Gaigg am Institut für Alte Musik der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Mit der Leitung der donauFESTWOCHEN im strudengau setzt Michi Gaigg seit 2003 auch als Intendantin Akzente, wofür sie mit dem Großen Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet wurde.