JazzToDay – [em] & Rudder

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JazzToDay – [em] & Rudder

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em_4071_by_Joerg_Grosse_Geldermann [EM] WOLLNY-KRUSE-SCHAEFER
Drei Namen stehen hier für den unbedingten Willen, dem Jazz eine verheißungsvolle Zukunft zu bauen: Der Pianist Michael Wollny, die Bassistin Eva Kruse und Eric Schaefer an den Drums haben sich zu einem Trio zusammen gefunden, dessen Arbeitsergebnisse sich allen aufmerksamen Beobachtern zufolge zum musikalischen Fingerzeig formiert haben. Drei Alben haben die Deutschen als [em] bisher veröffentlicht, allesamt wurden sie von der Kritik auf Wolke 7 des aktuellen Jazz-Imperiums verortet. Und das, obwohl – oder hoffentlich vielleicht gerade weil – keine der Produktionen sich massenkompatiblen Hörgewohnheiten auch nur im Geringsten anbiedert.

Dem Wunsch nach Grooves, die sich nicht dem Sofa, sondern der Tanzfläche andienen indes entsprachen etliche Stücke des Trios durchaus. Gegen Melodiösitäten hatten die drei Virtuosen offenbar selten Vorbehalte, ihre Stücke durften sich zuweilen durchaus dem Blues oder gar dem Pop annähern, sie hatten allerdings auch freie Hand, sich von beiden wieder ohne Wenn und Aber zu entfernen. Manche Kompositionen von Wollny, Kruse und Schaefer standen ergo fern jeder Pop-Kultur, fern manchmal auch des Jazz’ in seiner reinen Lehre, fern eigentlich aller Hörgewohnheit. Aber niemals fern der Schönheit fein erdachter Melodien, die bislang noch jeder Jazz-Eskapade ihren Zugang zum Hörer sicherten.
Was dieses Trio im fünften Jahr seines Bestehens so einzigartig macht, ist längst nicht mehr nur sein Sound oder gar das technische Vermögen seiner Mitglieder. [em] hat vielmehr schrittweise den ansonsten weit verbreiteten Band-Leitsatz aufgegeben, man habe sich gefälligst auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, der dann den – oft genug viel zu beengten – Rahmen absteckt. Im Falle von Wollny, Kruse und Schaefer lässt man sich inzwischen auf das Abenteuer ein, die persönlichen Extreme zum gemeinsamen Thema zu machen. Und genau dies zeitigt Aufnahmen von allergrößter Spannung, die in ihrer Live-Umsetzung noch an aufregenden Unvorhersagbarkeiten gewinnen.
Bereits 2007 erhielt das Trio den Ronnie Scott’s Jazz Award als „Most Promising International Newcomer Of The Year“, für die nächste Preisverleihung an [em] muss womöglich schon ein neues Genre erschaffen werden. „Die Zeit“ bewunderte Wollny, Kruse und Schaefer längst als „aufregendstes Piano-Trio der Welt“, in der Süddeutschen Zeitung attestierte man den Artisten klug „die Rettung des deutschen Jazz durch Spannung und Humor“, mittels Tugenden also, deren zweite zumindest in konservativeren Jazzkreisen gern in den Keller verbannt wird. Dabei kann sie interessante Abende im Konzertsaal leicht und charmant zu aufregenden machen.
Michael Wollny (p) Eva Kruse (b) Eric Schaefer (dr)

RUDDER
Was Keith Carlock, Chris Cheek, Henry Hey und Tim Lefebvre als Rudder dem ambitionierten Jazz Afficionado anzubieten haben, dürfte zum Spannendsten gehören, womit die Jazz Today-Reihe in 2010 aufzuwarten hat. Das Quartett definiert sich über eine Arbeitsweise, die mehrere Jahrzehnte lang als Nonplusultra des Genres überhaupt galt. Es ergeht sich in ausgedehnten Jam Sessions, die zudem den Fan von Rock, Electro, Psychedelic und sogar HipHop dort abholen, wo seine Helden ihn im Regen stehen lassen.
Mit dem Album „Matorning“ fand das Quartett vierer Ausnahmekünstler zu einem der radikalsten, musikalischen Statements der letzten Jahre. Schlagzeuger Carlock, der ein wenig überraschend schon mit Sting, Steely Dan, James Taylor, Diana Ross, Faith Hill und Richard Bona tourte, treibt mit atemlosen Beats seine kleine Kollegenherde wie aufgescheuchtes Wild über die Steppe, bevor Bassist Levebvre, Keyboarder Henry Hey und Chris Cheek am Saxophon sich auf sein Tempo, seine unbändige Energie und die Lust an der wahrhaft brachial neuen Definition dessen, was Jazz in unserer Zeit so alles kann, bedingungslos einlassen. Bis also Fragmente aus George Clintons P-Funk, aus dem basslastigen Sound von Level 42, des High-Energy-Gebräus von Living Colour oder der frühen Red Hot Chili Peppers, aus den ersten, unverdorbenen Tagen des Jazzrock und sogar instrumentaler Untermalungen der Last Poets oder den Phantasmorgien des Jimi Hendrix für unsere Zeit bereitet sind.
Bloßes Mitwippen scheint ausgeschlossen, Rudder fordern totalen Körpereinsatz oder bloßes Staunen. Was auch daran liegen könnte, dass die vier Musiker auf ganz unterschiedliche Biographien zurückblicken. Cheek etwa war Teil des Charlie Haden Liberation Orchestra und der Bill Frisell Group, Hey spielte mit Bill Evans, PM Dawn, Till Brönner und Harry Belafonte, während Lefebvre in der Band von „Saturday Night Live“, in David Lettermans Late Show, mit Jamie Cullum und an den Soundtracks von Oceans 12 und Oceans 13 beteiligt war. Gemeinsam ist den vier Virtuosen jetzt ein musikalisches Inferno gelungen, zu dem sich stundenlang emphatisch tanzen ließe.
Etliche Jazz-Journalisten haben Rudder bereits zur Fortsetzung dessen geschrieben, was Medeski, Martin & Wood einst begannen und sind dabei vermutlich noch nicht einmal weit genug gegangen. Rudders Musik dürfte mühelos imstande sein, Jazzfans aus bisher überzeugten Jazzhassern zu formen. Die irgendwie stets hysterischen, aber niemals egozentrischen Sounds des Quartetts zählen zum Spannendsten, was der moderne Jazz an der Schnittstelle zu sämtlichen anderen Genres zu bieten hat.
Chris Cheek (sax) Henry Hey (keyb) Tim Lefebvre (b) Jeremy Stacey (12.10. – 24.10) bzw. Keith Carlock (übrige Termine) (dr)

Tour 2010
12.10.10 STUTTGART – Theaterhaus
13.10.10 ULM – Roxy
14.10.10 KARLSRUHE – Tollhaus
15.10.10 DARMSTADT – Centralstation
17.10.10 MÃœNCHEN – Unterfahrt
18.10.10 ERLANGEN – E-Werk
20.10.10 LÃœBECK – MUK
22.10.10 BREMEN – Glocke
23.10.10 HAMBURG – Kampnagel
24.10.10 BERLIN – Quasimodo
26.10.10 MANNHEIM – Alte Feuerwache
27.10.10 MAINZ – Frankfurter Hof
28.10.10 KAISERSLAUTERN – Kammgarn
29.10.10 BONN – Harmonie
30.10.10 DORTMUND – Konzerthaus
31.10.10 DÃœSSELDORF – Savoy Theater