HANGGAI – Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]

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HANGGAI – Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]

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Hanggai-cover (World Connection, VÖ: 01.10.2010)
Die Bandbreite von Hanggais Musik ist beinahe so groß wie die Graslandschaft aus der sie stammt. Die Band bildet auf ihrem zweiten Album “Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]” die wilden, freien Steppenflächen der Inneren Mongolei genauso ab wie das hektische Treiben in den Straßen des heutigen Peking. Neben der überlieferten mongolischen Musiktradition sind in ihren Songs westliche Elemente aus Pop, Rock und Bluegrass zu finden. Die jüngsten Kreationen von Hanggai basieren zwar auf archaischen Geschichten und Melodien aus ihrer Heimat, gleichzeitig verarbeiten sie jedoch auch die Eindrücke und Erfahrungen, die die Formation im letzten Jahr auf internationalen Konzertreisen gesammelt hat.

2010 setzen Hanggai ihren künstlerischen Wachstumsprozess fort, der 2008 eindrucksvoll begann. Im Jahr der Olympischen Spiele von Peking veröffentlichte die Gruppe, damals noch in Sextettstärke, ihr Debüt “Introducing Hanggai”, dem die Kritik ausnahmslos applaudierte. Danach folgten schier endlose Tourneen durch Amerika und Europa. Wo Hanggai auch hin kamen, überall versetzten sie die Zuhörer mit ihrem Obertongesang (chöömii) in Erstaunen. Diese spezielle Vokaltechnik, bei der ein einzelner Sänger mit seinen Stimmbändern den Höreindruck von Mehrstimmigkeit erzeugt, ist vermutlich eine der ältesten Ausdrucksformen überhaupt. Umso erstaunlicher, dass sie bis zum heutigen Tage praktiziert wird. Nicht zuletzt dieses ungewöhnliche Markenzeichen machte Hanggai zu Festival-Favoriten beim WOMAD, in Roskilde und sogar auf dem Wacken Open Air, dem weltgrößten Metal-Festival. Kein Wunder, die jungen Chinesen holen ungebändigte Laute aus ihren Kehlen, für die so mancher Speedmetal-Frontmann seine Seele verpfänden würde …
Nach über einem Jahr auf Reisen kehrten Hanggai im Frühjahr 2010 ins Studio in Peking zurück. Unterstützt von den Produzenten Ken Stringfellow (REM, Neil Young) und JB Meijers begannen sie mit der Arbeit an ihrem zweiten Album. Hatten sie bei “Introducing Hanggai” zuerst live die traditionellen Instrumente ihrer Heimat eingespielt und danach im zweiten Durchgang elektronische Zutaten darüber geschichtet, so verlief diesmal alles wesentlich organischer. “‘ Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]’ haben wir alle gleichzeitig aufgenommen, statt wie zuvor ein Instrument nach dem anderen”, erinnern sich die Musiker. “Deswegen ist ‘ Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]’ auch in viel stärkerem Maße ein Band-Album geworden. Außerdem gelangten durch das neue Bandmitglied Shang Li (Yilalata) mehr Gitarrenparts in unsere Musik.”
Zum Teil gehen die Gitarrenparts auch auf das Konto von Marc Ribot (Tom Waits, Elvis Costello, Bill Frisell uvm.). Der begehrte Sessionmusiker aus New York hat im Titel “Dorov Morlaril” (Vier Jahreszeiten) einen spektakulären, heftig rockenden Gastauftritt. “Das war JB Meijers’ Idee”, rekapitulieren Hanggai. “Er kennt Marc und ließ ihn unsere Aufnahmen hören. Marc gefielen sie und er spielte ein paar zusätzliche Spuren für uns ein. Wir sind sehr froh darüber, dass sein Stil so gut zu dem passt, was wir machen.”
Vier der sieben Hanggai-Bandmitglieder – Sänger Hurcha, Flötist Ilchi, Bassist Niu Zin und Pferdehaargeiger Batubagan – kommen ursprünglich aus der Inneren Mongolei, einem autonomen Gebiet in der Volkrepublik China. Heute leben sie in der Hauptstadt Peking, doch auch dort lässt sie die Klangkultur der Heimatregion nicht los. Nach mehreren Jahren als Punk-Sänger entdeckte zum Beispiel Ilchi die Musik seiner Kindheit für sich wieder und gab damit den Anstoß zur Gründung von Hanggai. Ilchi verabschiedete sich aus der Punk-Szene und kehrte in das Geburtsland seiner Familie zurück, um eine Kultur wiederzubeleben, die nach Dekaden der bewegten chinesischen Geschichte in Trümmern lag. “Unser kulturelles Erbe ist noch immer sehr wichtig für uns”, stellt die Band einstimmig fest. “Wir wissen natürlich, dass mongolische Musik nicht weithin bekannt ist, uns umgibt sie aber die ganze Zeit.”
Hanggai, deren Name sich auf die weiträumigen Weideflächen der Mongolei und die riesigen Himmelsgewölbe darüber bezieht, retten auf ” Juan Zou De Ren [He Who Travels Far]” die Musiktradition der Heimat vor dem Vergessen, indem sie diese im elektronischen Umfeld unserer Tage aufbewahren. Uralte Instrumente wie die Flöte tsuur und das zweisaitige Zupfinstrument tobshur paaren sie reizvoll mit programmierten Beats und E-Gitarren. Die sagenumwobene Pferdehaargeige morin khuur erhält im Klangkosmos von Hanggai einen Ehrenplatz. Sie ist eines der zentralen Sinnbilder der mongolischen Geschichte, ihr Ton erinnert an das Wiehern eines Wildpferdes in der Steppe oder auch das Pfeifen des Windes in den Gräsern der Weideflächen: der Sound von Freiheit und Ungebundenheit.
“In unserer Musik präsentieren wir zwar einen Crossover-Stil, unsere Wurzeln werden wir aber nie vergessen”, bekräftigen Hanggai. “Wir mögen unsere Musik so wie sie ist, in der Tradition verankert, aber in unserem ganz eigenen Stil präsentiert.”