G̦tz Alsmann РIn Paris

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G̦tz Alsmann РIn Paris

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Cover_alsmann_in paris (EMI Blue Note, VÖ: 21.10.2011)
Es gibt musikalische Projekte, die sind in sich so stimmig, dass es einen wahrlich wundert, dass sie erst jetzt in die Tat umgesetzt wurden und das Licht der Welt erblicken. Götz Alsmanns „In Paris.“ ist ein solches Projekt, ein Album als deutschsprachige Hommage an den großen französischen Chanson. Wem könnte das besser gelingen als diesem Perlenfischer aus Münster, der in seiner schalkblinzelnd schillernden Karriere schon Dutzende und Aberdutzende musikalischer Schätze gehoben und ihnen zu neuem Glanz verholfen hat. Stets hat sich der Sänger und Pianist auch als ein Meister der Arrangierkunst erwiesen. Wer einmal die schiere Passion erlebt hat, mit der Alsmann und seine Band altgediente oder besser noch ausgediente Lieder zu neuem Leben erwecken, der weiß, dass auch Paris unter den Fittichen dieser Musiker in frischen Farben aufblüht und all die Klassiker von Charles Aznavour und Gilbert Bécaud, Charles Trenet und Henri Salvador, Serge Gainsbourg und Yves Montand all jene Bilder wachrufen, die wir mit der vielleicht schönsten Metropole Europas verbinden als blätterten wir in einem Bildband alter Postkarten.

Auf dem Cover posiert – ganz im Stile der klassischen Blue-Note-Jazzalben der 1940er und 1950er – Götz Alsmann auf dem Montmartre, beschwingt angelehnt an eine Laterne. Starfotograf Jérôme Bonnet hat dem Coverfoto jenes unbeschwerte Moment mitgegeben, wie wir sie auch auf den alten Fotografien von Robert Doisneau oder Henri Cartier-Bresson entdecken können. Selbstverständlich ist Götz Alsmann mit seiner Band, Altfrid Maria Sicking (Vibraphon), Michael Ottomar Müller (Bass), Rudi Marhold (Schlagzeug) und Markus Paßlick (Percussion), für die Aufnahmen auch nach Paris gereist, denn wie er selbst sagt: „Nichts könnte selbstverständlicher sein, als nach Paris zu fahren und dort Chansons aufzunehmen.“ Und das mit einem ganzen Laster voller Instrumente. Niedergelassen hat sich der Tross für einige schöne Frühlingstage im Studio Ferber, dem zweitältesten, noch voll funktionsfähigen Studio von Paris. Hier geistert auch noch immer der Studiogründer von vor 40 Jahren wie eine graue Eminenz durch die Peripherie des Studiogeländes. In dem holzgetäfelten Aufnahmeraum steht ein großer Flügel, an dem schon Gilbert Bécaud und Charles Aznavour gesessen haben, und Alsmann mutmaßt mit feinem Lächeln, „dass schon Johannes Brahms ihn gekannt hat“.

Eng zusammengearbeitet haben die Musiker in dem Studio Ferber mit dem französischen Top-Produzenten Regis Ceccarelli, der aus einer renommierten Familie von Jazzmusikern stammt, bereits auf Henri Salvadors berühmtem Album „Chambre avec vue“ mitspielte und dessen letzter Bandleader war. Hinzu kam noch als Tontechniker Jean-Pierre Sluys, der auch nach den Liveaufnahmen mit der Band mit Götz in den Badabing Studios noch an diversen Arrangements feilte. Ob Rumba-Bolero oder French Tango, Cha Cha Cha oder Bossa Nova, Mambo oder Musette – Götz Alsmann und seine Band tauchen musikalisch in ihr facetten- und phantasiereiches musikalisches Universum ein, das geprägt ist von verspieltem Jazz als leichte Muse und einem Hauch Exotica im Stile jener Combos, die es verstehen, aus unterschiedlichsten Klangzutaten ein ganz eigenwilliges Gefühl zu kreieren, ganz so, als hörte man einem Orchester zu. Immer unter der Prämisse, „Klassiker aufnehmen, die schon bei den ersten Takten einen ganzen Reigen an Paris-Bildern bei den Menschen hervorrufen“.

Den Auftakt macht „Bumm“ („Boum“) von Charles Trenet, ein Urgestein unter den französischen Chansonniers. Für Alsmann ist das Lied, von dem bereits Rudi Schuricke 1939 eine deutsche Fassung aufnahm, nicht nur „ein Kinderlied über die Liebe“, sondern eines dieser urkomischen Chansons, das die Leichtigkeit des Lebens unter der Prämisse des Verliebtseins feiert und das hier mit pittoreskem Swing ausgestattet wird. Charles Trenets international populärste Komposition „Das Meer“ („La mer“) gehört wiederum zu jenen Chansons, „auf die sich die Welt einigt, wenn man von französischen Liedern spricht“. Gar als „Nationalhymne unter den Chansons“ bezeichnet Götz Yves Montands „Der Schleier fiel“ („Les feuilles mortes“), das unter seinem englischen Titel „Autumn Leaves“ seit Jahrzehnten zu den großen Standards des Jazz gehört und nun als tief-romantischer Bolero seine Hörer in den Bann zieht. Das Spiel mit den musikalischen Elementen, das die Konnotationen eines Liedes vollkommen verwandeln kann, beherrschen die fünf Musiker perfekt, wobei besonders Altfrid Maria Sicking am Vibraphon respektive Xylophon ein ums andere Mal in bestechender Form ist. So wird Gilbert Becauds „Was wird aus mir“ („Et maintenant“) jede Schwere genommen, indem das Tempo angezogen und die Intonation eher kapriziös ausfällt. Charles Aznavours bissiges „Du lässt Dich geh’n“ („Tu te laisses aller“) wirkt wiederum wie ein verzweifelter Appell an die Liebe.

Zu den poetisch-romantischen Highlights des Albums gehören zweifellos auch die Interpretationen von Dalidas „Liebe mich“ („Aime-moi“) und Henri Salvadors „Der Junge im Boot“ („Le petit indien“). Beide Songs hat Alsmann kongenial ins Deutsche übertragen und weiß sie zurückhaltend und einfühlsam zu intonieren. Bei Eddie Constantines „Der Vagabund und das Kind“ („L’homme et l’enfant“), das der knarzige amerikanische Schauspieler und Sänger, der in Frankreich ein gefeierter Star war, einst mit seiner Tochter gesungen hatte, übernimmt Götz Alsmann beide Gesangsparts selbst – und überzeugt mit melancholischem Unterton dabei auf ganzer Linie. „Du gehst an mir vorbei“ („Vous qui passez sans me voir“), ein Klassiker aus dem Jahr 1936 von Jean Sablon, spielt Götz Alsmann hingegen mit jener herrlichen Nonchalance, mit der er gleichermaßen Serge Gainsbourgs „Cha-Cha-cha du loup“ so werkgetreu wie witzig als „Der Wolf tanzt Cha Cha Cha“ ins Deutsche übertragen hat. Gainsbourgs „Die verlorenen Lieben“ („Les amours perdues“) versieht er dagegen mit zackigem Rhythmus und einem kräftigen Schuss zirzensische Lakonie. In die Phalanx solch typischer Chansons mit Music-Hall-Charakter fällt auch „Du bist mein liebster Gast“ („Tu es mon invité preféré“), im Original ebenfalls von dem unverwüstlichen Eddie Constantine.

Eine schöne Pointe des Albums ist, dass „Im Café de la Paix“, der Song, in dem die meisten französischen Begriffe vorkommen, ursprünglich ein alter deutscher Schlager ist, und zwar von Gitta Lind, die wohl nur noch wenige Menschen kennen werden. Aber Alsmann wäre nicht Alsmann, wenn er in seinem Programm nicht einige Trüffel parat hielte. Da gehört dieser Schlager ebenso zu wie das in Vergessenheit geratene „Wenn es Nacht wird in Paris“, ursprünglich die Filmmusik es Krimiklassikers „Touchez pas au Grisbi“ mit Jean Gabin und dem jungen Lino Ventura, später von Caterina Valente mit einem Liedtext adaptiert. Götz Alsmann inszeniert dieses Fundstück als atmosphärische Huldigung an den französischen Film Noir und liefert so den Soundtrack zu der mystischen Szenerie nächtlicher Pariser Gassen, wie sie in unserem Gedächtnis haften geblieben sind.

Natürlich steckt dieses Album voller musikalischer Klischees, die unsereins mit der französischen Metropole verbindet, aber gerade die leichte Ironie, die eh zu den großen Charaktereigenschaften von Götz Alsmann gehört, erweist sich letztendlich als eine der ganz großen Stärken des Albums. Die finessenreichen Arrangements, die den Songs mit ihren überraschenden Kapriolen Licht, Luft und Lässigkeit, also das perfekte künstlerische Laissez-Faire verleihen, tun ihr übriges. Und so ist „In Paris.“ ein wunderbar leichter, höchst unterhaltsamer und durchaus lehrreicher Streifzug durch die Populärkultur Frankreichs, mit all seinen Chansons, Filmen und Showszenen. Dabei lädt dieses Jazz-Musette-Nouveau-Wunderwerk ganz nebenbei zur Wiederentdeckung der Originale ein. Götz Alsmann und seine Band werden ab dem 21. Oktober zeitgleich mit der Veröffentlichung des Albums mit dem Programm „Paris!“ auf Tournee gehen, auf der sich der erstklassige Entertainer ganz den musikalischen Delikatessen Frankreichs widmen wird. Beflissen wie der Mann, der vor wenigen Wochen zum Honorarprofessor an der Musikhochschule der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ernannt wurde, nun mal ist, wird er zu den Liedern auch einige mit ihnen verbundene Anekdoten zum Besten geben. Garantiert très charmant!