Erik Truffaz Quartet – El Tiempo de la Revolución

Home » Allgemein » Erik Truffaz Quartet – El Tiempo de la Revolución

Erik Truffaz Quartet – El Tiempo de la Revolución

Posted on

Tiempo_250 (EMI Blue Note, VÖ: 26.10.2012)
Das Erik Truffaz Quartet ist in erster Linie ein Kollektiv mit einem ganz eigenen Sound und einer ganz eigenen Gruppendynamik. „El Tiempo de la Revolución“ ist das nunmehr zehnte Album, das diese Formation für das Label Blue Note aufgenommen hat und es demonstriert hier einmal mehr seine formvollendete Brillanz mit zehn Tracks von lupenreiner Schönheit.

Anfangs noch in der Besetzung mit Erik Truffaz an der Trompete, Marcello Giuliani am Bass, Marc Erbetta am Schlagzeug und Patrick Muller an den Keyboards, wurden von den bis dato neun Albenveröffentlichungen des Quartetts seit seinem Debütalbum „Out Of A Dream“ aus dem Jahr 1997 weltweit mehr als eine halbe Million Exemplare verkauft. Während sich das oftmals traumwandlerisch wirkende Spiel von Erik Truffaz wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk zieht, hat sich der Duktus des Quartetts stetig gewandelt und der Kalligraphie seines Klangs immer neuen Schwung gegeben.
Schon auf den beiden Folgealben „The Dawn“ (1998) und „Bending New Corners“ (1999) verlieh der Rapper Nya mit seiner Poesie dem sphärischen Jazz des Quartetts eine neue Dimension, die ebenfalls zur wachsenden Popularität der Formation beitrug. Hinzu kam, dass Erik Truffaz mit seiner Band häufig im Blue Note Club in London spielte, der zu jener Zeit eine Hochburg der Drum’n’Bass-Szene war, ein Umstand, der auch die vier Musiker nachhaltig beinflusst hat.
Mit ihrem 2003 erschienenen Album „The Walk Of The Giant Turtle“ vollzogen die Musiker einen weiteren deutlichen Richtungswechsel und erweiterten ihr Spektrum um eine rockdynamische Ebene, indem sie Elemente aus Funkrock und Psychedelic einfließen ließen, was mitunter an „Bitches Brew“ von Miles Davis erinnerte, mit dem Erik Truffaz ohnehin oftmals verglichen wird.
„Arkhangelsk“ (2007) war wiederum das erste Album, auf dem das Quartett sich dem künstlerischen Einfluss von zwei höchst unterschiedlichen Singer-Songwritern öffnete: dem des französischen Popstars Christophe und dem des hoch talentierten Briten Ed Harcourt, deren Stimmen dem klassisch konnotierten Jazz von Erik Truffaz erfrischenden Pop-Appeal verliehen.
Während der frankoschweizerische Kosmopolit sich durch zahlreiche andere Kollaborationen immer wieder neue künstlerische Horizonte eröffnete – auf „Rendez-Vous“ (2008) arbeitete er etwa mit dem französischen Rapper Sly Johnson, dem indischen Raga-Duo Apurba und Indrani Mukherjee sowie dem mexikanischen Electro-Musiker Murcof – vollzog auch das Quartett eine weitere Veränderung. Im Jahr 2010 löste Benôit Corboz, seit „The Dawn“ Toningenieur der Band, Patrick Muller an den Keyboards ab. Das Resultat war ein neu justierter Bandsound, der mit dem Album „In Between“ schnell Form und Farbe annahm. Die Kunst der Langsamkeit und der bewussten Pausen bestimmten nunmehr das intime Klanggefüge, für das Marcello Giuliani an den Kontrabass gewechselt war. Die gefeierte Schweizer Sängerin Sophie Hunger, auf dem Album mit der spektakulären Dylan-Coverversion „Dirge“ und dem beschwörenden „Let Me Go!“ zu hören, trug ihren Teil zum superben Album bei, das in dem nun vorliegenden, neuen Werk seine nahtlose Fortsetzung findet.
„El Tiempo de la Revolución“ setzt ungefähr an dem Punkt an, an dem das letzte Album „In Between“ (2010) geendet hatte, ganz so, als würde hier ein weiteres Kapitel einer fortlaufenden Geschichte erzählt, eine Geschichte der steten Wandlung. Die Band hat seit ihrem letzten Album die Schlagzahl ihrer Konzerte deutlich erhöht und somit auch die Intensität ihrer musikalischen Interaktionen gesteigert. Das spürt man denn gleich bei dem atmosphärisch dichten Opener des Albums, dem Titelsong „El Tiempo de la Revolución“, eines der wenigen Stücke, das bereits vor dem Studiotermin fürs Album entstanden war. Denn den Großteil der Songs komponierte die Band während der Studiosessions, wobei jeweils ein komplettes Stück – from start to finish – innerhalb eines Tages entwickelt und aufgenommen wurde.
„Istanbul Tango entstand quasi an dem Tag, an dem wir aus der Stadt, die wir alle unglaublich lieben, von unserer Tournee zurückkehrten,“ erklärt Erik Truffaz, der auch im folgenden die Entstehungsgeschichte von „African Mist“ plastisch beschreibt. „Dieses Instrumentalstück haben wir aus einer Bassline entwickelt, die wir mit Pianoakkorden verdoppelt haben. Wir saßen alle auf dem Boden herum und haben das über einen ganzen Morgen hinweg ausgearbeitet. Der gepresste Hall der Hammond verleiht dem Stück ein psychedelisches Flair. Es ist wunderbar, Trompete zu so weiträumigen und feinfühligen Rhythmen zu spielen.“
„La Luna Mentirosa“, das erste Stück der Aufnahmesession, war ebenfalls an einem einzigen Tag entstanden, wobei sich aus einer unförmigen Klanglandschaft erst nach und nach die perfekte Melodie herauskristallisierte. Dazu noch einmal Erik Truffaz: „Wie schon der Bildhauer Brancusi zu sagen pflegte: Das Problem ist nicht, etwas zu tun, sondern sich in den Zustand zu versetzen, es zu tun.“
Die junge Schweizer Sängerin Anna Aaron, die im letzten Jahr ihr Debütalbum „Dogs In Spirit“ veröffentlichte und das Erik Truffaz Quartet bei seiner jüngsten „In Between“-Tour als Support-Act begleitet hatte, ist gleich auf drei Stücken zu hören. „Wir waren von ihrem Talent hin und weg“, so Truffaz. „Die Band schlug vor, dass sie die beiden Stücke Blue Movie und A Better Heart singt, und sie hat die Songs mit ihrer Finesse und ihrer Eleganz förmlich veredelt. Im Gegenzug hat ihr die Band ein wunderschönes Arrangement zu einem ihrer eigenen Stücke, Blow Away, gezaubert.“
„Mr. K“ ist ein Stück mit einer ähnlichen persönlichen Note. Das effizient-rhythmische Stück, dessen Groove von einigen Motown-Idolen der Musiker inspiriert wurde, ist dem Manager der Band gewidmet, der viel zum internationen Renommee seiner Schutzbefohlenen beigetragen hat.
„Un souffle qui passe“ entstand wiederum aus einer reinen Improvisation heraus. „Benôit und ich haben uns schon früh morgens im Studio getroffen, um ein wenig zu improvisieren, was wir wirklich genießen. Am Anfang stand ein Gefühl des Vertrauens, der Leere und der Musik, die unsere Gedanken gefangen genommen hat. Von den sechs Stücken haben wir schließlich dieses eine behalten.“
Das Album endet mit dem Stück „Time Of Revolution“, ein sphärisch-lichtes Instrumental mit der typisch wehmütigen Truffaz-Trompete und ein eher pianolastiges Pendant zum Opener und Titelsong „El Tiempo de la Revolución“. Hier schließt sich der Kreis eines wunderbaren Albums, das einmal mehr zeigt, wie leichtfüßig Schwermut klingen kann und vice versa. In dieser Form gehört das Erik Truffaz Quartet zu den beeindruckendsten Jazzensembles Europas. Eine musikalische Revolution mit garantiertem Herzblutvergießen!