Silje Nergaard / Wolfgang Haffner – JazzNights [Tour]

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Silje Nergaard / Wolfgang Haffner – JazzNights [Tour]

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SiljeNergaard Schon wahr: Das skandinavische Fräuleinwunder im Jazzgesang nahm mit Silje Nergaards Erscheinen in den letzten Jahren des vergangenen Jahrtausends seinen Anfang. Insofern war sie eine Botin des Künftigen. Mit ihr betrat eine Künstlerin die Szene, die das imaginäre Große Latinum des Jazz zwar mit Auszeichnung bestanden hatte, ihre Kenntnisse aber sehr viel lieber in den Dienst eigener musikalischer Spracherfindungen stellte – Erfindungen, von denen nicht auszuschließen war, dass sie auch Leuten gefallen würden, die mit Ella, Sarah und Dinah nichts anzufangen wissen. Zu behaupten, mit Silje habe der Jazz seine Unschuld an den Pop verloren, wäre gewiss unsinnig. Vielmehr markierte ihr Erfolg den Anfang einer Mode, Sängerinnen, die auch einen Standard wie „Bewitched, Bothered And Bewildered“ mit Anstand interpretieren konnten, pauschal der alten Schule des Jazz zuzurechnen. Diese Verwirrung gipfelte in der vielfachen Grammy-Dekoration der Sängerin Norah Jones in der Kategorie Jazz – eine der großen Grotesken des Musikwesens der letzen Dekade.

Nun liegt die definitorische Beweisnot ihrer Kunst bei den Musikern zuletzt. Sie tun, was sie tun müssen. Was das sei, sollen andere benennen. Also: Silje Nergaard liebt den Jazz, aber sie ist keine Jazzsängerin – weder der alten Schule noch eines neuen Typs. Silje Nergaard liebt auch Pop – und ist doch alles andere als eine Popsängerin. Man höre ihr neues Album „A Thousand True Stories“, und man wird (endlich) begreifen, dass hier eine nostalgische Liederschreiberin am Werk ist, die die Kunst beherrscht, aus einem intimen Augenblick großes Kino zu machen – und umgekehrt.
Dass Musik zuvörderst Emotion sei, werden die Adornos dieser Welt heftig bestreiten. Doch Siljes Gesang, ihre betörend schönen Melodien, das hingebungsvolle Spiel ihrer Begleitband und die vom Klangzauberer Vince Mendoza arrangierten Streicher sind gleichermaßen herzbewegend. Früher schon war in Siljes Stimme eine Helligkeit, wenn man so will: ein nordisches Licht. Ihr Gesang hatte etwas Unbekümmertes, einen durch sanfte Herbheit abgetönten Grundoptimismus. Das alles ist immer noch da. Doch auf diesem Album lässt sich auch der Reifungsprozess einer Künstlerin bewundern, die mit den Jahren an Ernst und Tiefe gewonnen hat. Durch ihre neun selbst geschriebenen Lieder scheint ein dunkler Glanz, und in der Stimme klingt die Erfahrung von Vergänglichkeit mit und von Verlust.
Auch darin ähnelt sie der Jahrhundertsongschreiberin Joni Mitchell, der sie mit „Laura“, dem letzten Lied des neuen Albums, beinahe frech Reverenz erweist. Denn da lässt Silje ihre Stimme so durch die Intervalle hüpfen wie die Meisterin aus Kanada damals die ihre auf den „Ladies Of The Canyon“ (1970). Unüber-hörbar sind auch Anklänge an Madonna („Wayside Song“) und Sting („Frozen“), doch solche Resonanzbe-kenntnisse schwingen auf einer höheren Oktave. Sie beweisen nur, dass auch eine Silje Nergaard nicht im Wolkenkuckucksheim ihre Stücke erfindet. Und doch: Da hat eine viele Vormittage lang im stillen Käm-merlein an ihrem Flügel gesessen, komponiert und dabei Raum gelassen – für die Streicher des verehrten Vince Mendoza, für den langjährigen Songtexter Mike McGurk, der Siljes fragmentarische Textideen in gehaltvolle Strophen und Refrains übersetzt, für die Band, und für sich selbst. Herausgekommen ist dabei ein tolles, ja, ein großes Album. Und es ist nicht zuletzt die Abwesenheit jedweden Kalküls, die „A Thou-sand True Stories“ die Aura eines Klassikers verleiht. Die teure Produktion hat die Künstlerin lieber selbst bezahlt, so konnte ihr keiner reinreden.
Auf den JazzNights konzertiert Silje ohne das Metropole Orchestra aus Holland, das Vince Mendozas raffi-nierte und wirkungsstarke Partituren im Studio unter seiner Leitung so überzeugend eingespielt hat. Doch die Songs sind allemal stark genug, auch im Begleitformat eines akustischen Quartetts mit Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug ihre Autorität zu beweisen.

Wolfgang Haffner

Unwillkürlich möchte man einen derart universell einsatzfähigen und einsatzwilligen Trommler wie Wolfgang Haffner einen Mann für alle Felle nennen. Das Kalauer-Attribut stimmt ja auch – und auch wieder nicht. Denn wer alles kann, der sollte selber am besten nichts wollen. Immer flexibel sein, immer den Ansprüchen und Wünschen anderer gerecht werden, das ist das Kennzeichen von Studio-Cracks. Haffner aber kann nicht nur alles auf seinem Instrument (das neben befellten Trommeln bitte schön auch aus allerhand wohlklingenden Becken und Metallstäben und anderen selbstklingenden Instrumenten der Percussi-onfamilie besteht), er will auch, unüberhörbar. Sein federnd flexibles Uhrwerkspiel haben schon unzählige Großkopfeten des Jazz und des Showbusiness abgefordert – angefangen von dem Nestor des deutschen Jazz Albert Mangelsdorff, der der Legende zufolge Haffner als 18-Jährigen einst „entdeckte“, über Chaka Khan, Pat Metheny, Lalo Schifrin bis zu den Fantastischen Vier und den No Angels. Bei all den mehr oder weniger herrlichen Diener-Jobs aber blieb bei Haffner immer noch genug kreativer Impuls übrig, auch sein eigenes Ding machen zu wollen.
Vor drei Jahren brachte der Schlagzeuger aus dem Fränkischen mit „Shapes“ ein interessant-minimalistisches Album mit Anklängen an Lounge-Jazz diesseits allzu komplizierter Akkord-Progressionen heraus. Dass er zur Verfertigung solcher Klangwelten weder auf das elektronische Arsenal seines Keyboarders und Trompeters Sebastian Studnitzky angewiesen ist noch auf E-Gitarre und E-Bass, ebenso wenig auf Zauberkisten im eigenen Instrumentenkoffer, die der Steckdose bedürfen, um zu funktionieren, das bewies Haffner vor zwei Jahren bei einer Tournee für die JazzNights. Deren Headliner war damals Nils Landgren, und der wollte, ehe er selbst mit seiner roten Posaune die Bühne eroberte, jemanden haben, der das Publikum adäquat auf das fröhliche Donnerwetter seiner Band Funk Unit einstimmte. Deren Schlagzeuger war damals (und ist nach wie vor): Wolfgang Haffner.
Auf Einladung des Freundes und Funk-Unit-Chefs stellte dieser sich daraufhin ein akustisches Trio zusam-men, mit Lars Danielsson am Bass und dem alten Weggefährten Hubert Nuss am Piano, um das bereits bestehende Songmaterial von „Shapes“ als Vorgruppe von Nils Landgren zu präsentieren. „Es ist aber nicht ‚Shapes’ minus Trompete minus Elektronik“, klärte Haffner damals auf. „Ich habe sechs Wochen lang alles umarrangiert. Teilweise ist dabei völlig Neues entstanden.“ Unterschiede und Gemeinsamkeiten kann das geneigte Publikum nicht nur auf den entsprechenden Alben „Shapes“ und „Acoustic Shapes“ studieren, sondern auch auf einer faszinierenden DVD, die einen Konzertmitschnitt in der elektronischen Shapes-Ausgabe aus der Tafelhalle Nürnberg vom Oktober 2006 enthält.
Für 10.000 in Deutschland verkaufte Exemplare von „Shapes“ bekam Haffner jetzt im Sommer 2009 den Jazz Award verliehen. Dass ein Schlagzeuger auch kommerziell solchen Erfolg hat, ist ungewöhnlich. Doch schließlich ist Wolfgang Haffner ja auch ein ungewöhnlicher Schlagzeuger; welcher andere Trommler käme auf die Idee, ein Album „Round Silence“ zu betiteln? Ob Stille wirklich der Feind der Musiker sei, wie der Begleittext zu Wolfgang Haffners neuer Platte behauptet, bleibe dahingestellt. Ein Schlagzeuger jedoch löst Musik per definitionem durch Schläge aus, und dass die gewissermaßen lautlos fallen, kann man sich kaum vorstellen. Haffner jedoch ist selbst das zuzutrauen, wenigstens im metaphorischen Sinne: die Zu-rücknahme der eigenen Rolle, der eigenen Person, der eigenen Wichtigkeit, bis zur Stille.
Das Funk-Unit-Publikum reagierte auf das Hors d’oeuvre des Wolfgang Haffner Trios damals derart enthu-siastisch, dass es die subtilen Klänge des Trommlers nun neben Silje Nergaard als „Double Bill“ auf das Programm der JazzNights geschafft haben. Bass spielt weiterhin Lars Danielsson, der Pianist heißt wieder Hubert Nuss.

Tourtermine:
11.12.2009 – Darmstadt, Centralstation
12.12.2009 – Dortmund, Konzerthaus
14.12.2009 – Stuttgart, Theaterhaus
15.12.2009 – München, Carl-Orff-Saal
16.12.2009 – Hamburg, Schauspielhaus
17.12.2009 – Düsseldorf, Tonhalle
18.12.2009 – Karlsruhe, Tollhaus
19.12.2009 – Kiel, Schloss
20.12.2009 – Oldenburg, Kulturetage
21.12.2009 – Berlin, Kammermusiksaal