Milton Nascimento & Jobim Trio – Novas Bossas

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Milton Nascimento & Jobim Trio – Novas Bossas

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(EMI Brazil/ Blue Note) A.C. Jobim wünschte sich einst, dass Milton Nascimento seinen kompletten Songkatalog aufnimmt. Er hielt ihn für den einzigen Vokalisten, der seine Musik in der Originaltonlage meistern kann. Auf “Novas Bossas” wird der Traum des 1994 verstorbenen Komponisten posthum wenigstens teilweise wahr. Nascimento interpretiert hier unter anderem “Trem de Ferro”, “Velho Riacho” und “Inútil Paisagem” mit seinem glockenklaren, ungewöhnlich hohen Gesangstimbre.
Dabei wird der Mann, der seine Stimme bereits Stars wie Paul Simon, Duran Duran, Peter Gabriel und James Taylor lieh, sachkundig vom Jobim Trio unterstützt. Eine bessere Wahl hätte man für dieses Projekt nicht treffen können, befinden sich in den Reihen der Gruppe mit Paulo und Daniel Jobim doch der Sohn und Enkel von Antonio Carlos Jobim. An der Gitarre und am Piano treten sie das Erbe ihres berühmten Vorfahren an. Mit Paulo Braga gesellt sich ein weiterer ausgewiesener Fachmann hinzu. Der in der Zona da Mata im Herzen Brasiliens geborene Drummer gilt als Urvater des modernen brasilianischen Schlagzeugspiels und war in den vergangenen drei Dekaden mit allen Topleuten seiner Heimat im Studio. 1995 siedelte er nach New York über, dort wurde er von Joe Henderson, Yo-Yo Ma, Pat Metheny, David Sanborn und Michael Brecker engagiert.
Das Samenkorn für “Novas Bossas” wurde bereits im letzten Jahr gepflanzt, als man A.C. Jobims 80. Geburtstag feierte. Zu seinen Ehren traten Nascimento und das 2005 gegründete Jobim Trio gemeinsam im Botanischen Garten von Rio de Janeiro auf. Genau genommen war dieser Event freilich eine Wiedervereinigung von Künstlern, die sich schon sehr lange kennen. Paulo Jobim arbeitete 1978 zu Zeiten des Albums “Clube da Esquinha 2” erstmals mit Nascimento zusammen, auf der anschließenden Tournee war er ebenfalls mit von der Partie. Seinen Sohn Daniel nahm er damals mit. Der denkt an ein Ereignis der Konzertreise besonders gern zurück: “Als ich drei Jahre alt wurde, hat mir Milton einen der Auftritte gewidmet.” Die Freundschaft von Milton Nascimento und Paulo Braga reicht sogar noch weiter zurück, wie sich der Drummer erinnert: “Wir waren in den 60ern Mitglieder des Berimbau Trios an der Seite von Wagner Tiso. Das Trio suchte einen Bassisten, und Milton, ein versierter Akustikgitarrist, spielte nach drei Monaten besser Bass als sein Lehrer.”
“Novas Bossas” ist jetzt ein weiteres Kapitel in der langen gemeinsamen Geschichte der Musiker. Das Album entstand ohne jede Eile, in einer rundum freundlichen Atmosphäre. “Unser Verhältnis ist so fantastisch, als hätten wir nie etwas anderes getan als zusammen zu spielen”, merkt Milton dazu an. Und Daniel ergänzt lachend: “Erst hatten wir überlegt, die Vorproduktion in Miltons Heimstudio zu fahren und später die Aufnahmen an einem anderen Ort fortzusetzen, aber wir hatten soviel Freiheit und Spaß in seinem Haus, dass wir es nicht über uns brachten, dort wegzugehen.”
Unter Mithilfe von Gastbassist Rodrigo Villa und Co-Produzent Chico Neves nahm man unvergessene Klassiker der Bossa-Nova-Gattung neu auf, wobei sich das Repertoire erst nach und nach herauskristallisierte. Bei der Songauswahl herrschte uneingeschränkt das Lustprinzip vor. An Nachmittagen, in denen man locker musizierte und in Erinnerungen schwelgte, wurde die Trackliste allmählich ganz intuitiv gefüllt. Die Arrangements entstanden nicht minder spontan, wie Paulo Braga erläutert: “Wir spielten und spielten, jedes Mal ein wenig anders, ganz ohne uns um irgendetwas zu sorgen. Das war ein sehr natürlicher Prozess.”
Im Verlaufe des Prozesses wurden Titel wie “Cais”, “Tarde” und Dorival Caymmis “O Vento” mit Elementen aus der heutigen Jazzmusik angereichert und so auf den Sound-Stand unserer Tage gebracht. Einige Vorlagen hat man jedoch nahezu unverändert übernommen. So zeigen etwa die nahe am Original bleibenden Stücke “Brigas Nunca Mais” und “Chega de Saudade”, beide von Tom Jobim verfasst, dass es Milton Nascimento und das Jobim Trio auch ganz traditionell können. Diese Vollprofis sind wirklich mit allen Wassern gewaschen.

VÖ: 13.06.08