Lene Marlin – Twist The Truth

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Lene Marlin – Twist The Truth

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Lene Marlin Wenn ein Stern in der Popmusik zu schnell aufgeht, dann droht er bisweilen auch schnell zu verglühen. Dieses Gefühl muss auch Lene Marlin beschlichen haben, deren frühe Erfolge vor zehn Jahren ihr so unheimlich wurden, dass sich die vom Ruhm überwältigte junge Norwegerin für einige Jahre von der Musikszene zurückzog. Das war durchaus eine kluge Entscheidung: Nur so hat sich diese zartbesaitete Künstlerin jenseits allen Medienrummels in aller Ruhe entwickeln können und ist mit ihrem nunmehr vierten Album, „Twist The Truth“, nun an einem Punkt angelangt, der diesen Polarstern der nordischen Popmusik noch heller strahlen lässt als zuvor. Die zehn Songs sind musikalisch so fein und seiden verwoben wie die Songtexte intim und von der Seele gesprochen wirken. Hier ist eine Sängerin und Songwriterin am Werk, die in sich ruht und ihrer unwiderstehlichen Stimme eine Wärme verleiht, die die Mär von der nordischen Kühle ad absurdum führt.

Rückblick: 1998 hatte die damals gerade mal 18-jährige Lene Marlin einen ebenso rasanten wie perfekten Karrierestart hingelegt. „Unforgivable Sinner“, die Debütsingle der bis dahin völlig unbekannten jungen Musikerin – von Virgin ob ihres schier überbordenden Talents vom Fleck weg unter Vertrag genommen – war zunächst wochenlang Nummer eins in den norwegischen Charts und hernach zum europaweiten Hit avanciert. Wie gediegen und überzeugend ihre Songs waren, die der Teenager aus Tromsö zum großen Teil noch während der Abiturzeit geschrieben hatte, machte das im darauffolgenden Jahr veröffentlichte Debütalbum „Playing My Game“ erst recht deutlich. Auf Anhieb war Lene Marlin damit ein internationaler Millionenseller gelungen, der ihr nicht nur fünf norwegische Grammys bescherte, sondern auch einen MTV Europe Award. Kein Wunder, konnten neben Norwegen auch Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark und Schweden Platinerfolge für den Jungstar vermelden, dessen Debüt zudem in vielen anderen europäischen Ländern Gold erreichte und dessen Siegeszug bis nach Japan und Neuseeland führte. Mit 18 war Lene Marlin plötzlich ein Rolemodel für eine neue Generation von Popkünstlerinnen.
Nachdem sich der Riesenwirbel um den attraktiven blonden Jungstar ein wenig beruhigt hatte, zog Lene Marlin nach Oslo und legte erst einmal eine lange Pause ein. Erst im Jahr 2003 veröffentlichte sie ihr zweites Album, „Another Day“, gefolgt von dem zwei Jahre später erschienenen Album „Lost In A Moment“, für das sie mit den Erfolgsproduzenten von Stargate zusammengearbeitet hatte und alles in allem wesentlich mehr moderne Beats und fesches Tempo an den Tag legte. Für „Twist The Truth“ hat sich Lene Marlin mit Norwegens Popmelancholiker Even „Magnet“ Johansen einen Erfolgsgaranten mit ins Boot geholt, wobei sie kompositorisch nun zu bewährten Tagträumereien zurückgekehrt ist. Beides eine enorm gute Wahl: Johansen hat es gemeinsam mit Co-Produzent Börge Fjordheim verstanden, den sensiblen Kompositionen eine magische Patina zu verleihen, der den Songs und ihrer quellklar intonierenden Sängerin ein ums andere Mal zugutekommt.
Bereits die erste, mit herrlichen Streichern verzierte Single „Here We Are“ löste in Norwegen, wo das Album schon im Frühjahr erschienen ist, eine neue Welle der Begeisterung für Lene Marlin aus und eroberte die Airplaycharts unterschiedlichster Sender. Wüsste man es nicht besser, würde man hinter manchen Albumsongs eine amerikanische Künstlerin vermuten – irgendwo im weiten Feld zwischen Joni Mitchell, Sheryl Crow und Suzanne Vega. Mal steht der intime Charakter eines Songs im Vordergrund – wie bei der Seelenschau „Everything’s Good“ –, mal blitzen leichte Americana-Anklänge auf, wie bei „Come Home“. In „Story Of A Life“ singt sie über den Versuch, aus zufälligen Begegnungen ganze Lebensentwürfe abzuleiten. Musikalisch angetrieben von einer ganzen Armada an Instrumenten inklusive Banjo, Dobro, Trompete, Viola und Vibraphon sowie für „You Will Cry No More“ ein ganzer Männerchor, scheinen ihre Songs inhaltlich bestimmt von großer Neugierde und Empfindsamkeit, Versonnenheit und Zuversicht. Mögen die Songs auf „Twist The Truth“ von ausgesprochen intim-romantischer Natur sein, der Stern von Lene Marlin hat unübersehbar an Leuchtkraft hinzugewonnen – mit der ganzen Pracht eines Polarsterns.