Joe Lovano / US Five – Cross Culture

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Joe Lovano / US Five – Cross Culture

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Joe Lovano - CrossCulture_cover_web (EMI Blue Note, VÖ: 04.01.2013)
Joe Lovano gehört nicht nur zu den versiertesten Jazzsaxophonisten unserer Zeit, sondern auch zu den flexibelsten und fleißigsten. Der aus Ceveland, Ohio stammende Komponist und Musiker, der am 29. Dezember seinen 60. Geburtstag feiert, zieht seit Jahr und Tag von seiner Wahlheimat New York aus seine Kreise durch die internationale Jazzszene. Er hat stets ein offenes Ohr für neue Klangquellen, ist ein passionierter Sammler aller möglichen Instrumente und hat ein gutes Händchen für junge Talente – wie sein brillant besetztes Quintett Us Five bestens unter Beweis stellt. Mit „Cross Culture“ veröffentlicht Joe Lovano sein nunmehr 23. Blue-Note-Album und es ist zugleich das dritte Werk in Folge, das Lovano mit seinem von den Kritikern des Jazzmagazins Down Beat zur Jazzgruppe des Jahres 2010 gekürten Quintett Us Five aufgenommen hat. Zudem gastiert bei sechs der insgesamt elf Tracks der aufstrebende Blue-Note-Gitarrist Lionel Loueke.

Das mit zwei Schlagzeugern ungewöhnlich besetzte Quintett besteht ansonsten aus dem Pianisten James Weidman, am Bass wechseln sich diesmal Esperanza Spaulding (selbst eine grandiose und vielbeschäftigte Solokünstlerin) und Peter Slavov ab und am Schlagzeug firmieren der New Yorker Otis Brown III und der Kubaner Francisco Mila. Bereits für die ersten beiden Alben von Joe Lovano Us Five, „Folk Art“ (2009) und „Bird Songs“ (2011), erntete die Formation wahre Lobeshymnen. Sowohl Down Beat als auch die Vereinigung der US-amerikanischen Jazzjournalisten bezeichneten die Alben als jeweils beste ihres Fachs, letztgenannte die Interpretationen von Charlie-Parker-Kompositionen sogar als beste Aufnahme des Jahres.
Mit „Cross Culture“ zieht Lovano nun ein eindrucksvolles künstlerisches Fazit seiner ewigen Suche nach einer universellen musikalischen Sprache und präsentiert in zehn Eigenkompositionen und einer feinen Interpretation von Billy Strayhorns „Star-Crossed Lovers“ sein vielgestaltes Können und nutzt dazu auch seine exorbitante Sammlung von Instrumenten. „Seit meinen ersten Tourneen in den späten Siebzigern habe ich Instrumente gesammelt, aus Asien, Afrika, dem Mittleren Osten, Ost- und Westeuropa, Nord- und Südamerika“, sagt Lovano, der hier eben nicht nur auf seinem angestammten Tenorsaxophon, sondern auch auf dem G-Mezzo-Sopran, dem Taragot, dem Aulochrome und diversen exotischen Percussion-Instrumenten wie etwa dem aus Nigeria stammenden Oborom zu bewundern ist. „Ich habe quasi mein ganzes Leben leidenschaftlich damit verbracht, dem Geist nachzuspüren, der sich in den Klängen der Instrumente unserer Vorfahren verbirgt. Solche Musik zu erschaffen, verwurzelt mich in die Geschichte der Erde – und das kommt in meinen Kompositionen ebenso zum Ausdruck wie in der Art und Weise unseres Zusammenspiels.“
Das in afrikanischer Folklore wurzelnde Gitarrenspiel des westafrikanischen Gitarristen Lionel Loueke, der sein tiefgründiges Wissen mit so konventionellen wie innovativen Gitarrentechniken zu kombinieren weiß, kommt dem Album „Cross Culture“ zugute und bereichert die Kompositionen. „Lionel spielt nicht nur bloß seine Gitarre“, so Lovano, „er wird selbst zum integrativen Bestandteil der Rhythmusgruppe und lässt mir selbst optimal viel Raum, mich zu entfalten.“ Vom spirituellen Schönklang solcher Tracks wie „Myths And Legends“ (Neuauflage einer älteren Auftragsarbeit für das String Trio of New York) und perkussiven Kapriolen wie „Drum Chant“ bis hin zu frischen BeBop-Preziosen à la „52nd Street“ in „Royal Roost“ reicht das stilistische Spektrum: Rhythmische Komplexität trifft auf intuitives Harmonieverständnis. Tracks wie „Modern Man“ (ursprünglich auf Lovanos 1990er Album „From The Soul“) mit Lovano am Aulochrome erklingen in völlig neuem Kontext. Den krönenden Abschluss bildet mit „PM“ eine Hommage an seinen langjährigen Weggefährten Paul Motian. Mit dem legendären Schlagzeuger, der letztes Jahr im Alter von 80 Jahren starb, hatte Lovano noch bis kurz vor dessen Tod gespielt.
Joe Lovano zieht abschließend ein wunderschönes Fazit zu den Aufnahmen für „Cross Culture“. „All die Ideen und das Repertoire haben sich mit der Zeit entwickelt. Jedes Stück hier hat sein eigenes Aroma und sowohl vom Rhythmus wie vom Gefühl her ein starkes Eigenleben. Wir spielen stets mit einem guten Gespür füreinander und einem kreativen Fluss, was sich auch an dem enormen Spaß zeigt, mit dem sich unsere Musik entfaltet, bei der alle Rhythmen natürlich wirken und eine Energie entsteht, die Voraussetzung für alle Stile des Jazz ist.“ Ganz gleich, in welche musikalische Kultur Joe Lovano und seine agilen Begleiter eintauchen, das Ergebnis ist stets phänomenal. Spiritual world jazz at its best.