Giovanni Mirabassi – Terra Furiosa

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Giovanni Mirabassi – Terra Furiosa

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(discograph/ alive!) Der in Paris lebende italienische Pianist Giovanni Mirabassi genießt in der internationalen Jazz-Szene einen hervorragenden Ruf als vielseitiger und experimentierfreudiger Musiker. Im Verlauf seiner Karriere hat der preisgekrönte Autodidakt, der auch als Komponist von Chansons erfolgreich ist, in unterschiedlichsten Besetzungen gespielt und aufgenommen. Unter seinen Veröffentlichungen finden sich so spannende Kollaborationen wie das Album „Dreadlines“ (2002) mit dem polnischen Akkordeonisten Andrzej Jogodzinski sowie das mit Glenn Ferris (Posaune) und Flavio Boltro (Trompete/Flügelhorn) ungewöhnlich besetzte „((Air))“ (2003).

Zehn Jahre nach „Architectures“, seinem ersten Album unter eigenem Namen, kehrt Giovanni Mirabassi mit „Terra Furiosa“, seinem sechsten Album als Bandleader, zu jener klassischen Trio-Formation zurück, die er immer schon favorisiert hat: Piano, Bass und Schlagzeug. Begleitet wird er hier von zwei renommierten Musikern. Der amerikanische Schlagzeuger Leon Parker, der unter anderem mit Jacky Terrasson, James Carter und Brad Mehldau gespielt hat, liefert mit sparsamen aber höchst effizienten Mitteln den perfekt passenden Swing, während der durch Alben von Rosario Giuliani, Enrico Pieranunzi und Enrico Rava bekannte italienische Kontrabassist Gianluca Renzi meisterhafte lyrische Noten und Läufe beisteuert.

Angespornt durch diese beiden Ausnahmemusiker bietet der Pianist eine poetische, höchst eigenwillige Version von zeitlosem Jazz mit einem ausgeprägten Sinn für melodische Kraft, Spontaneität – alle Stücke entstanden im Studio in einem oder zwei Takes – und Improvisationen voll blendender Virtuosität. Geschickt wechselt das Trio die Stimmungen und Tempi. Auf das locker swingende „#3“ folgt mit „Sienna’s Song“ eine nachdenkliche Ballade in Moll. Rhythmisch Anspruchsvolles wie „W.A.F.“ und „Last Minutes“ mit einem brillanten Bass-Intro, repetierenden Tonfolgen und ungeraden Takten findet sich hier ebenso wie ein von europäischer Klassik geprägtes Stück („Radicaux Libres“), dessen gefühlvolles Thema Mirabassis Handschrift als Chansonkomponist widerspiegelt. Dass der Pianist neben europäischen auch afro-amerikanische Jazz-Traditionen aufgreift, unterstreicht der beherzt swingende Albumausklang „We Have The Blues Mr. President“.

Wie bei den meisten seiner früheren Alben konzentriert sich Giovanni Mirabassi auch bei „Terra Furiosa“ auf eigene Kompositionen. Die beiden Fremdkompositionen sind allerdings eher ungewöhnlich. „Alfonsina Y El Mar“, ein von südamerikanischer Folklore inspiriertes Stück, das sich unter den Händen von Mirabassi, Renzi und Parker in eine Modern-Jazz-Pretiose verwandelt, stammt von dem argentinischen Komponisten Ariel Ramirez. Das melancholische „Worry Doll“ ist ein Song der israelischen Sängerin und Songwriterin Achinoam Nini, die außerhalb ihrer Heimat besser unter dem Namen Noa bekannt ist.

Giovanni Mirabassi wurde 1970 im italienischen Perugia geboren. Bereits im Alter von drei Jahren brachte er sich die ersten Melodien auf dem Klavier selbst bei. Mit zehn standen ihm schon die Türen der Improvisation weit offen. Während andere Kinder seines Alters Pop und Rock konsumierten, hörte er Platten von Bud Powell, Art Tatum, Oscar Peterson und Jacky Byard. Dann entdeckte er den eleganten Anschlag von Bill Evans und die elegischen Piano-Fantasien von Kenny Barron, Chick Corea und Keith Jarrett. Bei seiner Beschäftigung mit der Geschichte des Jazz faszinierten ihn aber nicht nur Pianisten. Charlie Parker und Pat Metheny beeinflussten seine musikalische Entwicklung ebenso wie der Tango eines Astor Piazolla, die Popmusik von Elton John und Klassik von Brahms und Bach. Unter den zeitgenössischen Musikern hinterließ jedoch der römische Pianist Enrico Pieranunzi den größten Eindruck. Bis heute wirkt sein Einfluss auf Mirabassis künstlerisches Schaffen nach.

Seine erste Sternstunde im Jazz erlebte der gerade 17-jährige, als er die Möglichkeit bekam, Chet Baker bei einem Auftritt in Perugia zu begleiten. Zwei Jahre später absolvierte er seine erste landesweite Tournee an der Seite des amerikanischen Saxophonisten und ehemaligen Miles-Davis-Sideman Steve Grossman. 1992 zog es den Italiener nach Paris, wo zu dieser Zeit eine neue Generation italienischer Jazzmusiker, darunter Stefano Di Battista, Paolo Fresu und Flavio Boltro, eine künstlerische Heimat gefunden hatte. Hier nahm er seine ersten „echten“ Klavierstunden bei Aldo Ciccolini. Drei Jahre lang saß er jede freie Minute vor den schwarz/weißen Tasten. Er spielte in Clubs mit Pariser Musikern, vor allem mit Chansonniers die ihm auch erste professionelle Engagements vermittelten. Seine wahre Passion galt jedoch weiterhin dem Jazz. 1994 gründete er mit Alain Raman am Bass und Xavier Frathely am Schlagzeug das Panta Rei Trio, das in Pariser Jazz-Zirkeln rasch zu einer festen Größe avancierte. Zugleich trieb er seine Karriere in der Chansonszene sowohl als Musiker als auch als Komponist weiter voran. Zu den Höhepunkten auf diesem Feld gehören das von ihm komponierte und produzierte erste Album der Sängerin Agnès Bihl „La Terre est blonde“ sowie das mit dem Sänger Nicolas Reggiani 2003 eingespielte „Léo en toute liberté“, ein Album mit bislang unveröffentlichten Liedern von Léo Ferré.

Nachdem er 1996 mit dem Bassisten Pierre-Stéphane Michel und Flavio Boltro an der Trompete unter dem Bandnamen Dyade mit „En bonne et due forme“ ein vielbeachtetes Album veröffentlicht hatte, das ihm den „grand prix“ und eine Auszeichnung als „bester Solist“ bei den internationalen Jazz-Tagen in Avignon einbrachte, entschloss sich der Pianist eigene Wege als Bandleader zu gehen. Mit Louis Moutin (Schlagzeug) und Daniele Mencarelli (Bass) entstand 1998 sein erstes Album in jener Konstellation, der bis heute seine größte Hingabe gilt.

Der eigentliche Durchbruch folgte 2001 mit seinem Soloalbum „Avanti“, einer Sammlung von politischen Liedern und Revolutionshymnen von „Hasta Siempre“ über „Le chant des Partisans“ bis „Imagine“, die Mirabassi in einen Jazz-Kontext übertrug. Das Album bescherte ihm renommierte Preise wie den „Les Victoires du Jazz“ und verkaufte sich außerordentlich gut. In der Folge ging der Italiener regelmäßig mit einem Trio oder solo auf Tournee und gastierte auf wichtigen Festivals wie dem Paris Jazz Festival, dem Era Jazzu in Varsovie und dem Northsea Jazz Festival in Rotterdam. Nach weiteren erfolgreichen Einspielungen wie „Prima o poi“ (2005) sowie zwei Alben („Cantopiano“ 2006, „Artero Brel“ 2007) mit Interpretationen französischer Chanson-Klassiker von Serge Gainsbourg bis Jacques Brel, ist Giovanni Mirabassi in Frankreich einer der erfolgreichsten Jazzmusiker. Zugleich eroberte er in den letzten Jahren mit Konzerten und Veröffentlichungen auch die Herzen des japanischen Publikums.

Mit seinem neuen Album „Terra Furiosa“ feiert der 37-jährige Wahlpariser jetzt nicht nur standesgemäß seinen zehnten Jahrestag als Bandleader. Mit dieser gelungenen Einspielung setzt Giovanni Mirabassi auch einen neuen Standard für das Piano-Trio.

Die Veröffentlichung von „Terra Furiosa“ wird von einer weltumspannenden Tournee flankiert, die Ende Februar mit Club-Konzerten in Italien begonnen hat und bis weit in den April reicht. Im Sommer gastiert Giovanni Mirabassi auf einigen der bedeutendsten Jazz-Festivals. Weitere Konzerte sind für den Herbst in Planung.

25.04.08