Corinna Simon РReinhold Gli̬re: Piano Works

Home » Allgemein » Corinna Simon – Reinhold Glière: Piano Works

Corinna Simon РReinhold Gli̬re: Piano Works

Posted on

PIANO RARITIES (Crystal Classics, VÖ: 01.06.2011)
Der Russische Komponist Reinhold Moritzevich Glière (1875 –1956) ist vor allem für seine prahlerischen Tänze und extrovertierte Partituren mit spritzigen Effekten – so wie im Ballett „Der rote Mohn“ und dessen wildem Seemannstanz – seine epische Sinfonie No. 3 „Ilya Muromets“ und sein recht surrealistisches
„Konzert für Koloratursopran & Orchester, Op. 82“ bekannt. Letzteres klingt wie das hörbare Gegenstück eines im Regen vergessenen, überreichlich verzierten Brautkleids. Glière ist das Beispiel eines sowjetischen Komponisten der unter dem Regime Stalins gut gedieh, zum Teil weil die harsche Führung der UDSSR Künstler in eine Richtung drängte die Glière sowieso als die seine wahrnahm.

Um Folklore zu erforschen akzeptierte Glière bereitwillig was ein urbanerer Komponist als grausames inneres Exil angesehen hätte; 1923 reiste Glière auf Einladung des Aserbaidschanischen Kommissariats für Bildung
nach Baku um den „Prototyp einer Aserbaidschanischen Nationaloper“ zu komponieren. Das entstandene Werk, Glières „Shakh-Senem“, wird auf lokaler Ebene immer noch geschätzt und tatsächlich kehrte Glière 1929 zu einem weiteren Aufenthalt nach Aserbaidschan zurück. Glière konzertierte auch in Sibirien, quälte sich in den 1930ern freiwillig in Usbekistan als „musikalischer Entwicklungshelfer“ und schuf gemeinsam mit
Usbekischen Komponisten Stücke. Glière verhielt sich durchgehend wie ein begeisterter russischer Nationalist, ähnlich dem Pianisten Sviatoslav Richter, der sich Jahre später dazu entscheiden sollte die abgelegenen Regionen Russlands zu bereisen und dort aufzutreten – aus Liebe zu den bodenständigen Menschen. Einige Schriftsteller haben versucht Glières mutmaßlichen Status als Vertreter einer Gegenkultur aufzubauschen,
was sogar soweit ging, dass manche behaupten Glière würde einer jüdischen Familie aus Belgien entstamme (!). Einmal abgesehen von diesen ethnischen Falschzuordnungen hat Glières energisch, folkloristisches Orchesterwerk leider seine gekonnten, intimeren Stücke überschattet. Zu Glières am meisten unterschätzten Kompositionen zählen seine Kammermusik (er schrieb einige Quartette die es verdienen mit ihrem Melodienreichtum neben denen von Borosin zu stehen) und vor allem seine Klaviermusik. Glières mitreißende und verdichtete Klavierstücke, wie sie auf der vorliegenden CD versammelt sind, erlauben im Kleinen einen Blick auf die gewaltigen Denkprozesse des Komponisten zu werfen. Ihre geballte Energie ist in gewisser Weise mit der verdichteten Kraft von Johannes Brahms Klavierversionen seiner Sinfonien und Chorwerke zu vergleichen. Glières Werke für Piano sind unterschwellig graziös. Da aber ein gewisses technisches Können
von Nöten ist um sie ordentlich zu spielen, werden sie von manchen Klavierlehrern als ideale Übungsstücke angesehen. Das Missverständnis Glière sei ein sowjetischer Czerny gewesen hatte ein ungewöhnliche Nachleben für seine Klavierstücke zur Folge. Glière hat zwar didaktische Sammlungen wie „8 Pièces Faciles pour Piano, Op.43“ (Acht einfache Stücke) geschaffen, was aber nicht bedeutet, dass er vor allem als
Komponist für Studenten verstanden werden sollte, genauso wie Béla Bartóks didaktische Arbeiten ausgesprochen gefällig sind, wenn sie von einem einfühlsamen erwachsenen Pianisten gespielt werden.