Eliane Elias – Bossa Nova Stories

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Eliane Elias – Bossa Nova Stories

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(Blue Note; VÖ: 22.08.08) „Ich bin im São Paulo der Sechziger aufgewachsen, wo man überall Bossa Nova hören konnte. Das war die populärste Musik unserer Zeit, mit all den ansteckenden Rhythmen und den poetischen Songtexten. Bossa Nova war romantisch, cool, jazzy und sinnlich. Ich lebte und atmete diese Musik. Sie ist quasi in meinen Genen.“
Die Bossa Nova wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Aus Anlass dieses runden Geburtstags öffnen Blue Note und Capitol nicht nur ihre Archive und bringen einige größtenteils vergriffene Klassiker wieder heraus, sondern überraschen auch mit glänzenden Neuaufnahmen. „Bossa Nova Stories“, das brandneue Blue-Note-Album der in New York lebenden brasilianischen Sängerin und Pianistin Eliane Elias, ist natürlich – wie man es von einer Künstlerin von diesem Format erwarten darf – eine hinreißende Hommage an eine der weltweit populärsten Spielarten der zeitgenössischen Musik, die gerne mit dem leichten und unbeschwerten Lebensgefühl der Brasilianer gleichgesetzt wird. Die Schwerelosigkeit, mit der die vierzehn Bossa Novas des vorliegenden Albums daherkommen, scheint diesen Eindruck nur noch zu verstärken. Glänzte die Sängerin und Pianistin auf ihrem bis dato letzten Werk, „Eliane Elias Sings And Plays Bill Evans“, vor allem auf ihrem ihr angestammten Instrument, ist es bei den „Bossa Nova Stories“ ihre sanfte und nuancenreiche Stimme, die im Mittelpunkt steht.

Rückblende. Es war 1958, als der Gitarrist João Gilberto „Chega de Saudade“ aufnahm, eine Komposition von Antonio Carlos „Tom“ Jobim und Vincius des Moraes, die sich als bahnbrechend entpuppen sollte. Gilbertos sambabetonter Rhythmus und sein sanfter Gesang kennzeichneten seine Interpretation, mit der die Bewegung der Bossa Nova ihren Anfang nahm. Dem schlüssigen Klangcocktail aus verführerischen Sambaklängen, Cool Jazz und klassischen europäischen Harmonien waren seitdem Generationen von Musikern erlegen, wobei sich die Bossa Nova besonders unter Jazzern ungebrochen großer Beliebtheit erfreut. So zollt nun einmal mehr auch eine der schönsten und international renommiertesten Jazzmusikerinnen Brasiliens diesem Phänomen auf grandiose Weise ihren Tribut: vierzehn „Bossa Nova Stories“, in denen Eliane Elias auf ihre ganz eigene Art und Weise der Faszination und den Verlockungen der Bossa Nova neue Farbe, Form und Finessen verleiht.

Für ihr tief in die Schatzkiste der Bossa Nova greifendes Album hat Eliane Elias neben ihrem langjährigen Kompagnon und Bassisten Marc Johnson mit dem Gitarristen Oscar Castro-Neves und dem Schlagzeuger Paulo Brago zwei exzellente Musiker ins Boot geholt, die tief in der Bossa-Nova-Tradition verwurzelt sind. Hinzu kommen Gastauftritte des legendären Mundharmonikaspielers Toots Thielemans, des brasilianischen Sängers und Songwriters Ivan Lins sowie des Nachwuchsgitarristen Ricardo Vogt. Produziert hat Elias das Album in New York gemeinsam mit Steve Rodby, wobei sieben Songs für Orchester arrangiert wurden, dessen Aufnahmen unter der Leitung von Rob Mathes in den Londoner Abbey Road Studios entstanden.

Das Albumrepertoire rekrutiert sich größtenteils aus klassischen Bossa-Nova-Stücken wie „The Girl From Ipanema“, „Chega de Saudade“ und „Minha Saudade“ sowie einigen Standards, die als Bossa Nova umarrangiert wurden, etwa die beiden Johnny-Mercer-Nummern „Too Marvelous For Words“ und „Day In And Day Out“ respektive die wunderschöne Gershwin-Komposition „You Can’t Take That Away From Me“. „Amerikanische Standards stehen in der Tradition von Bossa-Nova-Legenden, besonders von João Gilberto, der viele Songs amerikanischer Komponisten aufnahm“, erklärt Elias. „Bossa-Nova-Komponisten waren stark von der populären amerikanischen Musik der 40er und 50er beeinflusst.“ Zusätzlich hat Elias noch zwei Popsongs etwas jüngeren Datums ins Programm genommen: „Superwoman“ von Stevie Wonder und den Popsong „The More I See You“, mit dem Chris Montez 1966 einen Hit landete.

Eliane Elias ist zwar eine klassisch ausgebildete Pianistin und hat unter anderem das Werk der Jazzpianisten Bud Powell und Art Tatum intensiv studiert, wenn nicht verinnerlicht, doch die Bossa Nova begleitet sie schon seit ihrer Kindheit. „Meine Geschichte ist eng mit der Bossa Nova verknüpft“, erzählt sie. „Als ich fünf Jahre alt war, schaute ich mir immer eine Fernsehshow

namens O Fino da bossa an, durch die Elis Regina führte, die sich vom Zimbo Trio begleiten ließ,
deren Pianist Amilton Godoy zufälligerweise ein paar Jahre später mein Lehrer wurde.“ Zwischen ihrem 17. und 20. Lebensjahr arbeitete Elias mit Vinicius de Moraes, einem der ganz großen Bossa-Nova-Komponisten. „Ich erinnere mich noch gut an viele Proben mit ihm im Haus meiner Eltern und an die drei Jahre, die ich mit ihm gemeinsam auf Tour war. Während dieser Jahre habe ich auch Jobim einige Male getroffen.“

Im Jahr 1989 nahm die Pianistin für Blue Note ihr Album „Eliane Elias Plays Jobim“ auf, von dem der Komponist offensichtlich stark beeindruckt war. Denn als Jobim kurz vor den Aufnahmen zu Joe Hendersons Album „Double Rainbow: The Music Of Antonio Carlos Jobim“ (1995) erkrankte, empfahl er, dass Elias ihn am Piano ersetzen sollte. „Das war ein himmlisches Geschenk von Tom“, erinnert sie sich. „Er war von meinem Beitrag begeistert und hob hervor, dass mein Part der Musik Authentizität und Bestand gegeben habe.“ An jenen Aufnahmen waren auch Castro-Neves und Bragas beteiligt, die zudem gemeinsam mit Johnson 1998 auf ihrem Album „Eliane Elias Sings Jobim“ mit von der Partie waren.

Oscar Castro-Neves zählt zu den großen Bossa-Nova-Pionieren und Elias betont ihr besonders inniges Verhältnis zu dem Gitarristen: „Wir haben schon rein rhythmisch sehr viel Ähnlichkeit. Gitarre und Klavier zu spielen kann sehr knifflig sein. Nicht nur die Harmonien müssen übereinstimmen, sondern auch der Rhythmus. Wir haben das gleiche Taktgefühl.“ Auch für Paul Braga, der 15 Jahre lang mit Jobim gespielt hat, ist sie voll des Lobes. „Er ist der Vater des modernen brasilianischen Schlagzeugs. Paulos Spiel ist superb. Es ist nie statisch, immer in Bewegung, und er bringt mit seiner Lockerheit und Improvisationskunst ungemein viel Tiefe und Gefühl in die Songs.“ Marc Johnson, der Eliane Elias seit nunmehr 21 Jahren am Bass begleitet, hat das musikalische Vokabular Brasiliens ebenfalls längst verinnerlicht. All das waren und sind die besten Voraussetzungen, um „Bossa Nova Stories“ zu einem Ereignis zu machen. Eliane Elias vereint auf diesem wunderschönen Opus Vergangenheit und Gegenwart zu einem zeitlosen Fest der Bossa Nova.

Eliane Elias über die Songs des Albums „Bossa Nova Stories“:

„The Girl From Ipanema“ – „Der weltweit bekannteste Song Brasiliens. Ich hatte zuvor schon zwei Versionen aufgenommen: eine instrumental und eine portugiesisch gesungene. Das jetzige Arrangement greift auf grundlegende Elemente einige historischer Aufnahmen dieses Songs zurück. Das orchesterbetonte Opening basiert auf der Aufnahme von Astrud Gilberto und Stan Getz, der englische und portugiesische Gesang ist eine Verbeugung vor der Zusammenarbeit von Sinatra und Jobim, während mein Pianosolo Jobims eigene Aufnahme seines Albums ‘The Composer Plays‘ paraphrasiert.“

„Chega de Saudade“ – „Ich habe diesen Song von 1977 bis 1980 bei Konzerten häufig gemeinsam mit Vinicius gespielt und der Klassiker ist bis heute ein Bestandteil meines Konzertrepertoires. Das neue Arrangement enthält einen wunderschönen Beitrag von Oscar und das Klaviersolo ist von Jobims ‘The Composers Play‘ übernommen.“

„The More I See You“ – „Ich vergöttere diesen Song. Er eignet sich großartig für eine Bossa Nova. Ich kenne die Version von Chet Baker ganz gut und singe den Song auch, weil ich den Text so sehr mag.“

„They Can’t Take That Away From Me“ – „Das ist eine von Gershwins besten Kompositionen und den Song als Bossa zu bringen, bietet dem Text räumlich und atmosphärisch ganz andere Möglichkeiten. Ich habe mich für ein langsames Tempo entschieden, für eine intime und romantische Interpretation.“

„Desafinado“ – „Das Wort bedeutet verstimmt oder falsch. Durch die Verschachtelung der Melodie, der Harmonien und der Wechsel ist es eine Herausforderung, diesen Song zu singen und zu spielen. Ironischerweise erfordert dieser ‘verstimmte‘ Song eine genaue Betonung. Die meisten Shows beende ich mit genau diesem Lied, dessen Wechsel sich zum Improvisieren so gut eignen wie dazu, ganz aus sich herauszugehen.“

„Estate“ (Summer) – „João Gilberto nahm diesen Song auf seinem Albumklassiker ‘Amoroso‘ auf, die Arrangements stammen von Claus Ogerman. João ist vielleicht der einzige Nicht-Italiener, der ein italienisches Lied zu einem weltweiten Bossa-Nova-Standard gemacht hat. Der

italienische Songtext beschreibt den Verlust von Liebe auf sehr poetische Weise. Ich habe verschiedene Färbungen und Anhebungen benutzt, sowohl beim Anpassen der Strophen als auch beim Einsatz der Mundharmonika. Es war sehr berührend, Toots Thielemans bei den Aufnahmen zu beobachten. Es ist jetzt 85 und klingt noch immer wunderschön.“

„Day In Day Out“ – „Dies ist ein Duett zwischen Piano und Gitarre, begleitet von Gesang und zusätzlicher Percussion. Während ich meine rechte Hand perkussiv und rhythmisch einsetze, übernimmt die linke Hand die Funktion eines Sambista-Bassisten. Ich wollte diesen Song schon immer aufnehmen und habe die Arrangements schon seit einigen Jahren fertig. Ich habe nur die richtige Gelegenheit abgewartet.“

„I’m Not Alone“ – „Mit Ivan Lins bin ich seit 1992 immer mal wieder aufgetreten. Dies hier ist ein wirklich wunderbarer Song und ich liebe den Moment, wenn Ivan Lins als Sänger in dieses Duett einsteigt.“

„Too Marvelous For Words“ – „Der Song ist wirklich romantisch und der Songtext von Johnny Mercer ganz schön feinsinnig. Von den Harmonien her besticht der Song durch den Wechsel der Tonart und ist so ein Beispiel für den großartigen Aufbau des Songs.“

„Superwoman“ – „Ich mochte diesen Song immer schon und finde Stevie als Songwriter großartig. Als kleine Verbeugung vor Stevies Mundharmonikaspiel spielt Toots Thielemans das Intro und das Ende. Rockmusik hat ein recht geradliniges Achtelnotengefühl, das sich leicht auf das brasilianische Klanggefühl übertragen lässt.“

„Falsa Baiana“ – „João Gilberto hörte sich auf der Plaza seines Heimatstädtchens Juazeiro in Bahia oft die Kompositionen von Geraldo Pereira an. Diesen Song hier nahm er 1976 gemeinsam mit Jobim für San Getz‘ Album ‘The Best of Two Worlds‘ auf. Geraldo war ein Komponist, der ganz bewusst den Rhythmus auf den Klang der Worte abstimmte. Es war einer der ersten brasilianischen Songs, den ich mit zehn Jahren lernte, und es hat Spaß gemacht, ihn für dieses Album aufzunehmen.“

„Minha Saudade“ – „Für João Deodato, der diesen Song mit João Gilberto schrieb, war dies 1958 der erste Hit. Es ist also ein weiterer Song aus dem Geburtsjahr der Bossa Nova. Und Marcs Bass auf diesem Stück hat einen tollen Groove.“

„A Ra“ (The Frog) – Einige von João Deoadatos Kompositionen wie diese hier führten einen ganz eigenen Rhythmus ein, irgendwie eine Mischung aus brasilianischen und Latin Grooves. Der Text stammt übrigens von Caetano Veloso.“

„Day By Day“ – „Ein weiterer wunderschön romantischer Song. Am Ende des Arrangements zitiere ich auf dem Piano ‘The Girl From Ipanema‘, was diesen Bossa-Nova-Geschichten einen schönen abschließenden Rahmen verleiht.“