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Deolinda – Cancao ao lado
(World Connection; VÖ: 03.04.09) Sie lebt irgendwo in einem Randbezirk von Lissabon und ist alt genug um zu begreifen, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. Mal ist sie verliebt, mal entliebt, immer jedoch glücklich unverheiratet. Durch die Spitzenvorhänge ihres Erdgeschoßapartments, das sie gemeinsam mit zwei Katzen und einem Goldfisch bewohnt, beobachtet die junge Frau die Nachbarn und das Treiben auf der Straße. Wenn ihr was Interessantes auffällt, verarbeitet sie es zu Songs.
Von wem hier die Rede ist? Von Deolinda, der Hauptperson des Albums “Canção ao lado” (“Lied von nebenan”). Erfunden hat sie 2006 Komponist und Texter Pedro da Silva Martins. Zunächst verfasste er nur zwei Songs über die imaginäre Dame, als dann Freunde gern noch mehr Geschichten mit ihr hören wollten, erweiterte er das Ganze zu einem 14-teiligen Zyklus. 2007 wurden seine Lieder im Tonstudio zu einem Konzeptalbum zusammengefasst, das im Jahr darauf auf dem nationalen Markt erschien. Aus dem Nichts schoss der Longplay in obere Ränge der portugiesischen Charts, nach 22 Wochen erreichte er gar Platinstatus.
Neben Songschöpfer Pedro da Silva Martins hören wir auf “Canção ao lado” die energische und sehr charismatische Sängerin Ana Bacalhau, Kontrabassist Zé Pedro Leitão, der einen Klassik- und Jazz-Background mitbringt, und Konservatoriumsabsolvent LuÃs José Martins. Letztgenannter entlockt so ziemlich jedem Saiteninstrument wunderschöne Klänge. Er beherrscht alles von der zehnsaitigen viola braguesa über die Klassische Gitarre und deren kleine Schwester Cavaco bis zur Guitalele, einer Kreuzung aus Gitarre und Ukulele. Die mit zwölf Stahlsaiten bezogene guitarra portuguesa, quasi Portugals Nationalinstrument, fehlt erstaunlicherweise. Und auch sonst ist hier alles ein wenig anders, als man es aus der Heimat von Mariza, MÃsia und Ana Moura erwarten würde. Mit deren Fado jedenfalls hat die Musik von Deolinda, wie sich die Gruppe in Anlehnung an die geheimnisvolle Protagonistin ihres Debütwerks nennt, nicht viel gemein. Eher schon mit fröhlichen Volkstänzen (“Fon-Fon-Fon”) und der Klangwelt Brasiliens. So weist etwa das sanfte “Não sei falar de amor” (“Ich weiß nicht, wie ich von der Liebe sprechen soll”) klare Bezüge zum Bossa Nova auf.
Wenn das Quartett dann doch einmal ein Fadostück einstreut, klingt es anders als alles, was man bisher aus diesem Stilbereich vernommen hat. Statt der unübersetzbaren Saudade, jenem sagenumwobenen Lebensgefühl zwischen Sehnsucht, Melancholie und Trauer, wählt Deolinda lieber Humor und gute Laune. Der Titel “Garçonete da casa de fado” zum Beispiel handelt von einer brasilianischen Blondine, die in einem Musikclub in Lissabon arbeitet und gegen den bitterernsten Fatalismus des Fado revoltiert, indem sie sich singend ihre eigene, optimistische Uptempo-Version davon ausdenkt. Im Track “O fado não e mau” (“Fado ist nicht schlecht”) schwört Frontfrau Ana Bacalhau sogar, niemals den Fado singen zu wollen, weil er “die Seele mit Dämonen verdirbt”. Am Ende räumt sie bei aller Skepsis gegenüber der portugiesischen Musiktradition dann aber doch ein: “Ohne Fado und ohne Liebe – was bleibt dann noch?”
Immer wieder nimmt Deolinda mit einem ironischen Augenzwinkern die Eigenarten der Landsleute aufs Korn, gleich in mehreren Songs kommentiert die Formation deren Lifestyle und gewisse Macken. Im “Fado Toninho” etwa bekommt ein Macho der alten Schule, der wie ein Gockel umherstolziert, sein Fett weg; erst der Fantasiefigur Deolinda gelingt es, ihn mit ihrer Liebe zu zähmen. “Movimento perpétuo associativo” schließlich karikiert den in Portugel häufig anzutreffenden Typus des Sozialromantikers, der die Welt ja gern verbessern würde, meist jedoch an der eigenen Bequemlichkeit scheitert. Ihm kommt stets was dazwischen, sei es nun ein leckeres Mahl, ein Regenschauer oder das abendliche Fußballspiel von Benfica. Um es mit den Worten von Sängerin Ana Bacalhau zu sagen: “Wir wollen die Dinge ändern und eine Revolution anzetteln, aber wenn’s ernst wird, finden wir schnell eine Ausrede – und nichts passiert.”
Deolinda stehen an folgenden Tagen (2-3 Stunden um die Soundcheck-Zeit herum) für Interviews zur Verfügung: 16.04 D-Berlin/Maschinenhaus @ Kulturfabrik, 18.04 CH-Rubigen/Mühle Hunziken, 19.04 D-Bonn/Harmonie, 21.04 D-Hamburg/Fabrik
Bitte bei Interesse unter marcel@qrious.de oder 0221 / 500 859 11 melden.
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