Daniel Kahn & The Painted Bird – Lost Causes

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Daniel Kahn & The Painted Bird – Lost Causes

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DanielKahnLostCauses_Cover_0001 (Oriente Musik, VÖ: 01.12.2010)
Emma Goldman sagte einmal, “if I can’t dance, I don’t want to be part of your revolution”. “Lost Causes” heißt das neue Album von Daniel Kahn und seiner Band “The Painted Bird”, das im Dezember 2010 erscheint. Und wenn man sich vor Augen führt, daß Daniel Kahn zu seiner künstlerischen Arbeit einmal gesagt hat, “the people who really understand what I’m doing are the people who read it politically”, dann weiß man, daß Daniel Kahn nicht gerade optimistisch in die Zukunft sieht, wenn er sein neues Album “Lost Causes” nennt. Doch gleichzeitig muß man von der “Kraft des Revolutionären” (Musikexpress) sprechen, die Daniel Kahns Kunst zueigen ist, von dem Enthusiasmus, der in jeder Zeile zu spüren ist, die Kahn auf seiner neuen CD singt. “The Painted Bird” setzen Hybridität und Heterogenität gegen Folklorismus und machen mit offensiver Geste den Klezmer zu einer Kampfmusik fürs hier und heute. Und kämpfen heißt bei Kahn immer auch tanzen.

„Wenn es um abgefahrene Klezmer-Musik geht, waren die Musikanten aus den USA schon immer weit vorne. Auch Daniel Kahn aus Detroit gehört zu der Kaste jiddischer Musik-Agitatoren. Sein aktueller Standort nach New Orleans und New York ist nun Berlin. 2005 gründete er The Painted Bird“ (Klaus Halama), und in Berlin wurde auch das neue Album aufgenommen. Natürlich wieder eine „explosive Mischung aus Klezmer, radikalen jiddischen Songs, politischem Kabarett und Punk Folk“, aber eben: „Verfremdungsklezmer“! Glotzt nicht so philosemitisch! Und rezipiert die Songs und die Musik des Daniel Kahn politisch! Nicht zufällig findet sich auch auf dem neuen Album wieder Musik von Brecht/Weill, aber auch politische Musik des ausgehenden 19.Jahrhunderts: der große Song „In Kamf“ von David Edelstadt, geschrieben 1889 in New York oder das erschütternde „Vi Azoy?“, das Avrom Sutzkever 1943 im Wilnaer Ghetto geschrieben hat. Historische progressive jüdische Musik, die Kahn ausgegraben und musikalisch in unsere Zeit – einer neuen Zeit „verlorener Fälle“… – übertragen hat; politische Musik, in der sich Daniel Kahn mindestens genauso stark konnotiert wie in der Szene „radikaler jüdischer Kultur“ New Yorks der 80er und 90er Jahre um John Zorn, David Krakauer oder Anthony Coleman. Und in der kreativen Berliner Szene um und im legendären Kaffee Burger, versteht sich – dessen Hausband Daniel Kahn und seine „Painted Birds“ gewissermaßen sind. Dort hat auch Maik Brüggemeyer die Band gesehen und im „Rolling Stone“ 3/2010 eine große Rezension geschrieben: „… zu den Klängen einer Spieluhr: Lili Marleen – auf Jiddisch. Eine subversive Finte, die dem Russendisko-geschulten Publikum wohl entgeht. (…) Ãœber Brechts Frage „Wovon lebt der Mensch?“ eröffnet die Band ihr hintersinniges Tanzvergnügen. Alles hopst und trinkt und Kahn singt von Revolution, Whiskey und Zion, innerer Emigration und Parasitentum. Am Ende steht das jiddische Volkslied „Dem Milners Trern“. Man kennt es aus dem Coen-Film „A Serious Man“. Auch Daniel Kahn, Moralist und Anarchist zugleich, meint alles ernst.“
Doch Daniel Kahn ist nicht nur Klezmer-Musiker, als der er im Land der Täter und der Gedenktage-Kultur gern vereinnahmend und damit verharmlosend abgestempelt wird, nein, er ist auch ein versierter Singer/Songwriter. „Görlitzer Park“ zeigt die „romantische“ Seite des Daniel Kahn – ein „Berlin-Song“ ganz eigener Kraft, wie ihn so wohl nur ein amerikanischer Jude, der in Berlin lebt, schreiben kann (und nicht zuletzt ein Liebeslied von einer Intensität, wie es derzeit nur wenige deutsche Liedermacher schreiben können). Und die grandiose Ballade „Sunday after the war“ gibt uns eine Ahnung davon, was es mit den verlorenen Fällen und verpaßten Chancen auf sich hat.
Daniel Kahn vereint die besten Traditionen amerikanischer und jüdischer Musik – amerikanische Folksongs in der Tradition von Woody Guthrie oder Pete Seeger, und jiddische Protestsongs. Daniel Kahn fügt diesem Songkatalog elegant neue Facetten hinzu mit Liedern wie „Inner Emigration“, oder dem brillanten „Klezmer Bund“, in dem er mit seinen Musikern ein rotzig-ironisches Bündnis (be)schließt.
Gleichzeitig ist Kahn ein Interpret von Arbeiterliedern, von Brecht/Eisler-Songs, wie ihn Deutschland seit den Tagen von Ernst Busch nicht mehr gesehen hat. Ein „Barrikaden-Sänger“ im besten Sinne des Wortes. Wenn Daniel Kahn mit seiner Band Lieder wie „In Kamf“, Mordechai Gebirtigs „Arbetslozer Marsh“ oder Brechts „Denn wovon lebt der Mensch“ singt, dann hören wir nicht brave museale Musikkultur, sondern dann wird wieder klar, dass diese Musik einmal für die Straße, für die Veränderung der Welt und nicht nur fürs Theater geschrieben wurde. Und daß Daniel Kahn und seine Musiker keineswegs gewillt sind, die „Lost Causes“ von vornherein verloren zu geben.

Tourdaten (Stand 9.11. / weitere Daten in Vorbereitung):
20.01.11, Berlin, Festsaal Kreuzberg
21.01.11, Geislingen, Rätschenmühle
23.01.11, Salzburg, jazzit (17.00 Uhr!)
24.01.11, Zürich, El Lokal
25.01.11, München, Substanz
26.01.11, Mannheim, Alte Feuerwache
27.01.11, Frankfurt, Brotfabrik
28.01.11, Leipzig, Nato
03.02.11. Hamburg, Fabrik
04.02.11, Hannover, Cafe Glockensee
05.02.11, Ghent, Handelsbeurs
09.04.11, Ettlingen, Nachtcafé im Ettlinger Schloss