Choc Quib Town – “ORO”

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Choc Quib Town – “ORO”

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cover_choc_Quib 150 (World Records, VÖ 07.05.10) “Sómos Pacífico, estamos unidos, nos une la región, la pinta, la raza y el don del sabor.” Im Title-Track des Debütalbums “Sómos Pacífico” bekennen sich Choc Quib Town stolz zu ihrer Heimatgegend im Nordwesten Kolumbiens. Die zitierte Refrainzeile bedeutet soviel wie: “Wir sind die Pazifikküste, wir sind eins, vereint in der Region, unserem Aussehen, der ethnischen Zusammengehörigkeit und demselben Geschmack.” Das Musikstück aus dem Jahre 2006 spricht jungen Kolumbianern afrikanischer Herkunft aus dem Herzen, schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung hatte es unter ihnen den Status einer inoffiziellen Nationalhymne inne.

Das kommt nicht von ungefähr: Der Großteil der heute 42 Millionen Kolumbianer stammt von indianischen Ureinwohnern oder Mestizen ab, nur 20 Prozent haben afrikanische Vorfahren. Die Bevölkerungsgruppe der Afro-Kolumbianer, im eigenen Land zweitrangig behandelt, ist vornehmlich in der Regenwald-Region im pazifischen Küstentiefland angesiedelt. In dem vor Hitze und Luftfeuchtigkeit fast vergehenden Landstrich leben die Nachfahren afrikanischer Sklaven ziemlich abgeschieden, was dazu geführt hat, dass ihre kulturellen Wurzeln über lange Jahre nahezu unverändert erhalten geblieben sind. Genau darauf beziehen sich Choc Quib Town in ihrem tropischen HipHop-Sound. Ursprüngliche Rhythmen wie etwa Currulao, Bunde, Agaubajo und Bambazú vermischen sie sehr organisch mit Rap, Funk, Dancehall und Electronica zum ureigenen Bandstil.

“Die jungen Leute interessieren sich nicht mehr für traditionelle Folklore”, merkt Bandmitglied Tostao dazu an. “Sie kennen sie zwar, sehen darin aber Musik für Großmütter. Bei der Jugend zählt momentan nur Reggaeton. Wir hingegen wollen der Folklore wieder zu ihrem Recht verhelfen, indem wir sie neu definieren. Unsere Arbeit ist eine Ode an die Musik der Pazifikküste, aus unserer Perspektive betrachtet, aus unserem Bezugssystem. Und das ist nun mal HipHop.”

Choc Quib Town, im Kern bestehend aus den drei MCs Goyo, Tostao und Slow, erblickte im Millenniumsjahr 2000 das Licht der Welt. Die Gründung fand in der nordwestlichen Provinz Chocó an der Grenze zu Panama statt, seinerzeit wohnten sämtliche Bandmitglieder in der Provinzhauptstadt Quibdó. Chocó und Quibdó: “Davon ist der Bandname abgeleitet”, erklärt Frontfrau Goyo, “zu Ehren unserer Heimatregion.”

Im Heimatland erspielten sich Choc Quib Town als Sprachrohr der vernachlässigten afro-kolumbianischen Jugend schnell eine treue Gefolgschaft. Nach dem Debütalbum “Sómos Pacífico” 2006 wuchs das Ansehen von Monat zu Monat und schon bald wurde man auch im Ausland auf das Trio aufmerksam. Es folgten kreative Begegnungen mit Landsleuten (Aterciopelados, Sidestepper, Banda la República, La 33) und gemeinsame Bühnenauftritte bzw. Studiokooperationen mit internationalen Kollegen (Orishas, Sergent Garcia, DJ Oxmo Puccino). Im Sommer 2008 brach das Trio zu seiner ersten Europatournee auf, im selben Jahr gab’s Nominierungen in mehreren Kategorien für den Premios Shock, Kolumbiens nationalen Musikpreis. 2009 verlief nicht weniger ereignisreich. Zunächst nahmen CQT ihr zweites Studioalbum “Oro” auf, im März debütierten sie dann beim weltgrößten Popmusik-Festival South By South West (SXSW) im texanischen Austin und mauserten sich prompt zum talk of the town. Im Oktober letzten Jahres wurde die inzwischen in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá residierende Formation zu einem Showcase auf der Musikmesse WOMEX in Kopenhagen eingeladen, im selben Monat gab sie außerdem ausverkaufte Club-Konzerte in europäischen Metropolen wie Berlin (Dotclub) und London (Electric Ballroom).

Im April 2010 kommt es nun endlich zur ersten internationalen Tonträgerveröffentlichung. Auf der Compilation “Oro” präsentiert Kolumbiens führende HipHop-Gruppe einen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens. So gibt es hier etwa den großen Hit “De Dónde Vengo Yo” zu hören, der den traditionellen Bambazú-Rhythmus mit jamaikanischen Dancehall-Elementen verquickt, und der Song “Oro” (Gold), in dem es um die tragische Geschichte afrikanischer Sklaven in Kolumbiens Goldminen geht, ist ebenfalls mit von der Partie.

Mit “Oro” im Reisegepäck schicken sich Choc Quib Town jetzt an, die Sommerfestivals auf dem europäischen Kontinent im Sturm zu nehmen. Ganz nebenher wollen sie auch noch ihre selbstauferlegte Mission erfüllen, die “schwarzen” Rhythmen der Heimatregion weltweit zu verbreiten. Dazu noch einmal O-Ton Goyo: “Die meisten Menschen kennen die Musik von der kolumbianischen Pazifikküste bislang nicht, dabei herrscht bei uns solch ein Reichtum an Rhythmen.” Tostao fügt hinzu: “Außerhalb Kolumbiens geht unsere spezielle Musik völlig unter in den Dingen, die man gemeinhin mit unserem Land assoziiert: Kokain, Kaffee, Salsa, Cumbia. Die Menschen wissen überhaupt nichts über dieses ‘Afrika innerhalb Kolumbiens’. Wir rappen über ein Kolumbien, das man im TV normalerweise nicht zu sehen bekommt. Als Gruppe geht es uns hauptsächlich darum, dass unsere Kultur und Musik im eigenen Land und der ganzen Welt nicht länger als etwas Fremdartiges angesehen wird. Wir möchten, dass andere alles über uns erfahren, von unseren Essgewohnheiten bis zu unserem Dialekt. Wir wollen nicht länger marginalisiert werden, weder als ethnische Gruppe, noch als Kunstform.”