Bonnard Trio – Mendelssohn – Piano Trios op. 49 und 66

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Bonnard Trio – Mendelssohn – Piano Trios op. 49 und 66

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Mendelsohn Trio (Crystal Classics, VÖ: 01.02.2011)
Wenn das Ganze mehr ist als die Summe seiner Stimmen Mit seinen beiden Klaviertrios ist Mendelssohn auf der Höhe seiner Kunst. Gleichberechtigung, das aufklärerische Ideal der Klassik, findet im demokratischen Miteinander der vier Instrumente des Streichquartetts seine paradigmatische musikalische Gattung.
Das Klaviertrio hingegen? Seine Besetzung mit Klavier, Violine und Cello scheint einem in der Wiener Klassik längst überwunden geglaubten Hierarchiedenken verhaftet.

Denn erkämpft sich das Klavier nicht immer wieder sein Recht zur auftrumpfenden Virtuosität und spielt
sich klammheimlich zum Solisten des Trios auf? Das Klaviertrio erhält den Beigeschmack eines Klavierkonzerts mit minimierter Orchesterbesetzung, mitunter wird es scherzhaft „a poor man‘s piano concerto“ genannt. Die frühen Werke dieser kammermusikalischen Gattung bestätigen den angeblichen Makel: Denn das Cello verdoppelte oftmals schlichtweg die Basslinie des Klaviers, hier hat ein kompositorisches Denken überlebt, das noch zurückgeht auf das Generalbasszeitalter des Barock. Zumal die frühen Klaviertrios der Klassik zählten
letztlich „nur“ zur gehobenen gesellschaftlichen Unterhaltungsmusik. Salontrios feierten enorme Erfolge. Mit Haydn und Mozart setzt die Emanzipation der Streicher ein. Erst durch Ludwig van Beethoven aber wird die Gattung des Klaviertrios zu einer Spielart der Kammermusik, in der die Gleichberechtigung der drei Instrumente vollends Ereignis wird. Beethoven tariert das Kräfteverhältnis zwischen Klavier und Streichern aufs Feinste aus, sorgt für eine enorme satztechnische Elaboration. Mit seinen beiden Klaviertrios knüpft Felix Mendelssohn-Bartholdy an Beethovens Errungenschaften an. Zumal im Klaviertrio d-Moll op. 49 verleugnet
er seine Wurzeln im tiefen Boden der Klassik mitnichten. Robert Schumann wurde durch das Werk zu dem Bonmot veranlasst, Mendelssohn sei der „Mozart des neunzehnten Jahrhunderts“. Er schwärmte über seinen Kollegen, dieser sei „der hellste Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt.“ Mendelssohn verströmt in der Tat die Mozartische Eleganz einer Sommermusik. Im Juni und Juli des Jahres 1839 in Frankfurt am Main während einer rundum unbeschwerten Lebensphase erdacht, wurde das Klaviertrio zum beliebtesten Werk seiner gesamten Kammermusik: Der volkstümliche Tonfall und die Brillanz einfallssprudelner Passagen gehen ohne Umschweife ins Ohr – ob nun das aufwühlende Allegro agitato, das „Lied ohne Worte“ des wunderbar innerlichen langsamen Satzes, das eigensinnig koboldhafte, schelmisch
verspielte „Elfenscherzo“ oder der leise einsetzende Finalsatz, der schließlich die disparaten Gefühlswelten der vorangegangenen Sätze in eine sich lösende, nach D-Dur gewandte Feierlichkeit münden lässt.
Das Klaviertrio c-Moll op. 66 ist zwar nur sechs Jahre später entstanden, im Falle dieses so kurzen
Komponistenlebens muss uns diese Spanne als eine lange Zeit gelten. Ein hörbar gereifter Mendelssohn hat sein Werk Altmeister Louis Spohr gewidmet, der es sogar – mit Mendelssohn am Flügel – gemeinsam mit
ihm gespielt hat. Am 30. April 1845 ist das Trio fertiggestellt, Felix schenkt es seiner Schwester Fanny zum Geburtstag. Der eingangs geschilderten Herausforderung, an sich ungleiche Instrumente gleichberechtigt
aufeinandertreffen zu lassen, begegnet Mendelssohn mit einem Kunst- und Rückgriff in die Welt des von ihm so verehrten Johann Sebastian Bach. Er bedient sich einer polyphonen Schreibweise, mithin dem Schlüssel für wirklich große Kammermusik. Die Unabhängigkeit der Stimmen fordert jedes Instrument gleichermaßen, keiner der ebenbürtigen Spieler kann allein für sich die Melodie beanspruchen. Gleich mit dem elastisch
gespannten Hauptthema des Allegro energico e con fuoco beweist Mendelssohn, dass er sich auf seine polyphone Kunst nicht akademisch trocken, sondern geistreich und ungezwungen versteht. Mit dem Andante
espressivo ersinnt Mendelssohn erneut ein melodiöses „Lied ohne Worte“, in dem sich Klavier und Streicher wie in einem sanft wiegenden Duett begegnen. Mit dem Molto allegro quasi presto schreibt Mendelssohn
ein Scherzo der blitzenden Ausgelassenheit, huschend kapriziös scheint der Satz verfliegen zu wollen. Und das Allegro appassionato des Finalrondos findet gewichtige Töne mit langer Geschichte – Bach steht
hier einmal mehr Pate. Mendelssohn erweckt den Anschein des Bekannten und ist hier doch ganz er selbst – und auf der Höhe seiner romantischen Kunst, die er hymnisch geradewegs ins Orchestrale steigert. Einmal mehr ist hier das Ganze so viel mehr als die Summe seiner (gleichen) Teile.
Peter W. A. Krause