Ania Losinger & Matthias Eser – The Five Elements Vol.1

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Ania Losinger & Matthias Eser – The Five Elements Vol.1

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Über die Musik von Ania Losinger und Matthias Eser angemessen schreiben? Kein leichtes Unterfangen. Wort­reich entfaltete Sätze laufen unweigerlich Gefahr, den Gegenstand zu zerreden, genau dort zu scheitern, wo die beiden Künstler so faszinierend reüssieren: Im Moment der Reduktion, der Entlastung. Im Abwerfen von Ballast. Von Ballast des eigenen Erfahrungshorizontes, von Ballast historischer Verfügungsmasse – Edoardo Sanguineti sprach in solchem Zusammenhang salopp vom «Schmutz auf unseren Schultern». Es ist keine beiläufige, unverantwortliche Geste, mit der Losinger und Eser ihn wegwischen; jeglichem Beiseitelegen geht Auseinandersetzung und bewusste Entscheidung voraus. Was auf diese Weise bleibt, ist nicht nacktes Gerippe, sondern aufs Wesentliche verdichteter Kern, der ebenso in Geschichte ankert wie er von deren Überschuss entlastet ist.

Verkürzend und behelfsmäßig wäre dies Ergebnis als ‹Klang gewordener Rhythmus› zu umschreiben. Die Formel deutet an, was mit dem Prozess der verdichtenden Reduktion im konkreten Fall Hand in Hand geht: die Idee von Einheit und Verschmelzung. Die Verschränkung der Kunstformen, die Adorno mit Blick auf Werke von Kandinsky, Varèse, Cage oder Ligeti noch 1966 als «Verfransung der Künste» kritisierte, wird hier emphatisch betrieben; die Grenzziehung zwischen Zeit- und Raumkunst, in Lessings Laokoon bereits 200 Jahre zuvor postuliert, wird abermals hinfällig. Losingers und Esers repetitiv organisierte Polyrhythmen scheinen sich aus rezeptiver Perspektive von der Zeitachse zu entkoppeln und in den Raum zu entfalten; das motorische Moment tritt unweigerlich in den Hintergrund, weicht der Impression frei atmender Klangfiguren – subtil strukturiert und mit immer neuen Aspekten überraschend.
Indessen reicht das Interesse der beiden Künstler am Moment der Einheit weiter, gilt nicht allein einer ‹Verräumlichung von Zeit›, sondern auch der Möglichkeit einer, freilich zunächst privaten, unmittelbaren Verbindung von Kunst und menschlichem Sein. Als sinnvolle und tragfähige Brücke erwies sich die in der chinesischen Medizin und Naturphilosophie wurzelnde Lehre der fünf Wandlungsphasen bzw. der in zyklischen Prozessen zueinander in Beziehung gesetzten Elemente Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer. Entsprechend der Fünfzahl gliedert sich die Musik auf dieser CD in fünf Teile – jeder für sich eine Musikalisierung eines der Elemente. Rhythmisch-metrische Strukturen nehmen dabei direkt Bezug auf die Ziffern, die die chinesische Zahlensymbolik jedem der Elemente zugesellt.
Klangfarbe, Harmonik, Bewegungsenergie und dynamische Gestaltung reflektieren wiederum die Bedeutungsspektren der einzelnen Wandlungsphasen. Den dramaturgischen Bogen schlagen Losinger und Eser ausgehend vom Element Erde, über Wasser, Feuer und Metall hin zu Holz.
Die chinesische Medizin nutzt diesen Zyklus für energetischen Ausgleich. Die Wandlungsphase Holz, die den Kreis beschließt, im­pliziert auch ‹Morgen›, ‹Aufbruch›, ‹Frühling›, ‹Anfang›. Es ist gerade der persönliche und zutiefst unprätentiöse Charakter der in der Dramaturgie dieser CD beschlossenen, über das rein Musikalische hinausreichenden Aussage, der unmittelbar berührt. Der Idee von Aufbruch und Anfang, auch Zuversicht und Hoffnung reicht man gerne die Hand.

Text: Doris Lanz
VÖ: 02.10.2009