Al Green – Lay It Down

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Al Green – Lay It Down

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(EMI/ Blue Note) Man kann die aktuelle Arbeitsweise von Soul-Man Al Green nicht treffender auf den Punkt bringen als mit dem Titel seines neuen Albums. „Lay It Down“ ist das Ergebnis von Studio-Sessions der alten Schule, in denen alle Beteiligten erfrischend gemeinschaftlich zusammenarbeiteten – von Angesicht zu Angesicht, von Herz zu Herz, von Seele zu Seele.

Als wahrhaftige Kollaboration zwischen der Soullegende Al Green und einer handvoll talentierter junger Verehrer des zeitgenössischen R&B und HipHop erdacht, legt „Lay It Down“ Zeugnis jener Aufnahmeweise ab, deren oberstes Ziel die gegenseitige kreative Befruchtung war. Die daraus resultierende stolze Ernte besteht aus nicht weniger als den besten elf Songs der jüngeren Green-Karrieregeschichte. Green selbst hat sich dabei so temperamentvoll und funky ins Zeug gelegt als ginge es um einen Karriereneustart.

Für die Produktion von „Lay It Down“ zeichnen Green und zwei der innovativsten HipHop-Musiker verantwortlich. Schlagzeuger Ahmir „?uestlove“ Thompson von der HipHop-Alternative The Roots aus Philadelphia und Keyboarder James Poyser, dessen grenzenlose Musikalität Alben von Erykah Badu und Common geprägt hat. Addiert man dazu die gefeierten Dap-King Horns (Amy Winehouse, Sharon Jones), Gitarrist Chalmers Alford (Joss Stone), Bassist Adam Blackstone (Jil Scott, DJ Jazzy Jeff) und die exquisiten Stimmen der Gesangsgäste Corinne Bailey Rae, John Legend und Anthony Hamilton, blickt man auf ein Traumteam des modernen Soul an dessen Spitze die ausdrucksstärkste Stimme des Genres steht – Al Green.

Von Green selbst stammte der Wunsch mit jüngeren Künstlern arbeiten zu können. Insbesondere hatte er dabei Musiker des HipHop im Auge um gemeinsamen musikalischen Boden zu finden und die heilende Botschaft von, wie er es gerne sagt, „L-O-V-E“, verkünden zu können. Mit spielerischer Freude begab sich Green in die Welt der exzellenten Musiker von The Roots und deren Crew um Basisideen in New York City aufnehmen zu können. Seine vergleichsweise jugendlichen Kollaborateure nahmen diese Sessions zum Anlass, eine Art Meisterkurs zu belegen um dem unverkennbaren Al Green-Sound gerecht zu werden und ihn für das Jetzt relevant zu halten. „Der Grund für unsere Zusammenarbeit ist einfach. Wir verehren Al Green“, erklärt Ahmir „?uestlove“ Thompson. „Sein Stimmumfang ist bis heute unerreicht“.

„Die Jungs wollten sich nicht allzu weit von der Basis entfernen, die mein früherer Produzent Willie Mitchell und ich mit Nummern wie ‚Call Me, ‚I’m Still In Love With You’ und ‚Let’s Stay Together’ geschaffen hatten“, erinnert sich Al Green. „Sie lieben diese Songs, wollten aber so spielen, wie sich Al Green anno 2008 ihrer Meinung nach anhören sollte. Sie wollten die Aura des alten Al Green bewahren ohne ihre Freiheit zum eigenen Ausdruck beschneiden zu müssen. The Roots und die ganzen Typen aus Philadelphia, die mit uns arbeiteten, waren unfassbar gut. So gut, dass ich mich ziemlich schnell entspannen konnte. Ich wusste schnell was sie draufhatten, welcher Ideenvielfalt ich mich bedienen konnte“, sagt Al Green.

Der Grundstein für „Lay It Down“ wurde bereits 2006 gelegt als „?uestlove“ und Poyser das New Yorker Electric Lady Studio für eine Kennenlern-Session gebucht hatten. „Mann, war das eine Session!“, erinnert sich Al Green immer noch freudig erregt. „Wir arbeiteten dabei die Grundgerüste für acht Songs aus und waren so schnell in unserer Kreativität, dass ich die Songs unmöglich hätte komplett ausnotieren können. Jeder steuerte Ideen bei, was die ganze Angelegenheit zu echtem Teamwork werden ließ. Es gab kein individuelles Ego. Wir haben die Platte im wahrsten Sinne zusammen groß gezogen.“

Aus dieser Studio-Session stammen die Basis-Aufnahmen für neun der elf neuen Songs. Die Folgeaufnahmen erstreckten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren um den Terminplänen der Künstler gerecht werden zu können, mit denen Green für „Lay It Down“ zusammen arbeiten wollte. Jede anschließende Session glich jedoch ganz bewusst jener ersten im Frühjahr 2006. Erneut tauschten alle Beteiligten Ideen aus, schnappten sich Papier und Stifte um furios Texte zu schreiben, Gesangsmelodien und instrumentale Riffs auszuprobieren. Green selbst schrieb durch Vokal-Improvisationen viele der Arrangements, die später von Streichern und Bläsern eingespielt wurden. „Das ist meine Arbeitsweise. Alles was ich schreibe geht von diesem zentralen Punkt aus“, gibt Al Green zu und klopft auf sein Herz. „Das Gleiche passiert bei mir im Übrigen jeden Sonntag“, sagt Green, der den Soul schon seit Jahrzehnten auch in den Dienst Gottes stellt. „Ich schreibe nie eine Predigt. Wenn man nicht von hier aus improvisatorisch predigen kann, hat man nichts zu sagen“, erklärt er und klopft erneut auf sein Herz. „Das neue Album kommt von Herzen – vom ersten bis zum letzten Ton.“

„Es ist eine Ehre mit Al Green arbeiten zu dürfen, den ich seit jeher geliebt und geachtet habe“, sagt der Modern-Soul-Sänger John Legend. „Er war und ist ein wichtiger Teil der Black Music-Historie und somit auch der Popmusik-Geschichte. Er ist ein Sänger mit Magie in der Stimme.“ Legend, der ursprünglich für einen Song vorgesehen war, an dem die Band bei seinem Erscheinen gerade arbeitete, hörte im Vorübergehen eine unfertige Version von „Stay With Me (By The Sea)“. Er wusste umgehend, dass dieser Song, den Al Green zusammen mit Corinne Bailey Rae ausgearbeitet hatte, auf ihn zugeschnitten war. Diese Nummer illustriert in ihrer vollendeten Form jetzt den kooperativen Geist, der „Lay It Down“ durch und durch kennzeichnet. „John singt darin, ich singe darin, Corinne und ich singen im Background – wir sind alle drei in dem Song“, erklärt Green. „Der Song ist persönlich weil er mein Leben reflektiert aber jeder kann fühlen, worüber wir darin singen.“

Dass Corinne Bailey Rae extra aus London nach New York flog um mit ihm arbeiten zu können, beeindruckte Al Green ganz besonders. Bailey Rae wiederum fühlte sich geschmeichelt, mit Green arbeiten zu dürfen. „Seine Stimme hat eine immense Anziehungskraft – sie ist besonders markant und zielt gleichzeitig mit einer ungeheuren Leichtigkeit direkt ins Herz“, sagt Bailey Rae. Nach ihrer Ankunft in New York fuhr die englische Sängerin sofort ins Studio, wie Green berichtet. „Da stand sie da – dieses zierliche Ding mit der großen Gitarre. Sie nahm Platz, spielte, sang und der Drummer und Bassist taten es ihr gleich. Sie improvisierte einen Vers, ich steuerte einen Vers bei und zusammen arbeiteten wir den Song aus – spontan.“ Green insistierte darauf dass Bailey Rae den so entstandenen Song mit ihrem warmen, intimen Gesangsstil beginnen sollte.

Mit Anthony Hamilton, der dem klassischen Soul-Gesang seit jeher Nahe steht, interpretiert Green gospelartig den sukzessive an Fahrt gewinnenden Groove des Titelsongs „Lay It Down“. In atemberaubender Ruf und Echo-Manier, langt das Paar auch gleich noch im funky Refrain von „You’ve Got The Love I Need“ zu. „Man fühlt sich gut, gereinigt, befreit, wenn man Al zuhört“, sagt Hamilton über Green, der das Kompliment umgehend zurückgibt. „Auf seinen eigenen Platten singt Anthony immer darüber, wie er seine Lady verwöhnt und zufrieden stellt – ‚ich möchte, dass du glücklich bist und wir zusammen bleiben’. Nun, das Gleiche predige ich seit 30 Jahren. Je mehr wir uns der Tatsache bewusst sind, dass wir uns brauchen, desto weniger Differenz sehen wir in uns. Man muss der Liebe Chancen einräumen. Ich weiß, es gibt viele hasserfüllte Menschen auf der Welt, die dir gerne im Handumdrehen dein Herz brechen. Aber der große Mann dort oben sagt, dass man der Liebe Chancen einräumen muss. Es ist besser mit dem Risiko der Enttäuschung zu lieben als gar nicht zu lieben.“

Die Kollaborationen für „Lay It Down“ reflektierend, ergänzt Al Green: „Ich hätte nicht um mehr bitten können als um das was Corinne, Anthony, John und die brillanten Musiker dieser Platte gaben. Sie haben ihre Herzen singen und spielen lassen. Und wenn mir eine Person dieses Gefühl gibt, gebe auch ich alles was ich habe. Tatsächlich offeriert Green aber im letzten Song des Albums, „Standing In The Rain“ sogar noch mehr. Das Arrangement zum finalen Track gleicht einer überschwänglichen Neudefinition des klassischen Memphis Soul und der Text übermittelt die Botschaft, die Prediger Al uns allen mitgeben möchte – von den jungen, Al Green gerade entdeckenden Zuhörern bis zu seinen überaus loyalen Fans, die der Soullegende über mehrere Karrierejahrzehnte folgten.

„Standing In The Rain – der Song steht nicht für Leichtigkeit“, erklärt Green. „Ich habe Kummer, ich erlebe Schicksalsschläge, ich habe all die Dinge erlebet, die einen im Leben niederschlagen können. Aber ich widersetze mich dem Niedergeschlagensein. Darum geht es in dem Lied.“

„Lay It Down“ ist von dieser Grundhaltung durchzogen. Al Green mag hin und wieder über sein eigenes Drangsal singen. Vor allem aber möchte er die Antwort auf unser kollektives Drangsal bieten: L-O-V-E is all you need.

VÖ: 30.05.08