Aaron Neville – My True Story

Home » Allgemein » Aaron Neville – My True Story

Aaron Neville – My True Story

Posted on

AaronNeville_MyTrueStory_Covershot_web (EMI Blue Note, VÖ: 18.01.2013)
„Diese Songs haben mich geformt und zu dem gemacht, der ich bin“, erklärt Aaron Neville frank und frei. „Sie liegen mir nicht nur am Herzen, sondern haben mir in all den Jahren förmlich in den Knochen gesteckt.“
Mit MY TRUE STORY kehrt einer der besten Sänger unserer Zeit zu jener Musik zurück, mit der er aufgewachsen ist, und versieht sie hie und da mit einem zeitgemäßen Kniff. Nevilles Blue-Note-Debüt ist nicht mehr und nicht weniger als eine erlesene Kollektion von zwölf Doo-Wop-Klassikern, interpretiert von einer unverwechselbar anbetungswürdigen Stimme und produziert von keinen Geringeren als dem Blue-Note-Präsidenten Don Was und dem Rock’n’Roll-Urgestein Keith Richards.
Die Songauswahl besteht vor allem aus Evergreens von Giganten unter den für Doo Wop typischen Gesangsgruppen, von Little Anthony and the Imperials („Tears on My Pillow“), Hank Ballard and the Midnighters („Work With Me, Annie“) und den Drifters („Money Honey“, „Under the Boardwalk“, „This Magic Moment“). Für Aaron Neville waren diese Songs nicht nur der Soundtrack seiner Jugend, sie waren der Humus, auf dem all die beeindruckenden Aufnahmen, die er im Laufe von fünf Dekaden gemacht hat, gewachsen sind.

„Ich habe sozusagen Doo-wop-ologie studiert“, schmunzelt er. „Alles, was ich in Angriff nehme, ist im Kern Doo Wop. Das ist einfach ein Teil von mir – und das hat mit meiner Art zu singen zu tun, mit den Phrasierungen, den Harmonien und den Endungen. Manchmal wache ich um drei Uhr nachts auf und habe einen Doo-Wop-Song im Kopf. Ich kann dann kaum mehr einschlafen, weil ich ihn immer wieder vor mich hin singe.“
Die Aufnahmen auf MY TRUE STORY sind natürlich alles andere als bloße Replikas der Originalaufnahmen. Zumal einige Songs wie etwa „Be My Baby“ von den Ronettes oder „Gypsy Woman“ von den Impressions überhaupt nicht aus der klassischen Doo-Wop-Ära stammen, sondern erst einige Zeit später erschienen. Für Neville spielen solche chronologischen Klassifizierungen ohnehin keine Rolle, für ihn ist und bleibt der Gesangsansatz das entscheidende Momentum.
„Doo Wop begann mit fünf Typen wie den Clovers oder aber fünf Mädel wie den Chantels oder den Shirelles, die gemeinsam auf einer Bank sitzend oder einer Treppe stehend ganz harmonisch sangen“, so Aaron Neville. „Mein eigener Lieblingsplatz war die Jungentoilette in der Schule, weil sie einfach die beste Akustik hatte. Für mich war ‘Be My Baby’ immer ein Doo-Wop-Song, weil es Leadgesang mit Harmoniegesang verband. Ich bin in der Doo-Wop-Ära aufgewachsen, und wenn ich etwas gehört habe und es als Doo Wop empfand, dann war das eben so. Und wenn es nicht in diese Kategorie fällt, dann tut es das spätestens jetzt!“
Während bei klassischen Doo-Wop-Stücken eigentlich immer der Schwerpunkt auf dem Gesang liegt, wird das Ausgangsmaterial auf MY TRUE STORY einer geschickten Wendung unterzogen, indem Neville bei den Aufnahmen von einer erstklassigen Rock’n’Roll-Band unterstützt wird, angeführt von Keith Richards und seinem signifikant treibenden Gitarrenspiel. Zu den weiteren Spitzenmusikern zählen Gitarrist Greg Leisz (Beck, Sheryl Crow), Keyboarder Benmont Tench (Gründungsmitglied von Tom Petty and the Heartbreakers), Schlagzeuger George G. Receli (Bob Dylan) und Bassist Tony Scherr (Bill Frisell, Norah Jones).
„Bei Doo-Wop-Songs dreht sich alles um den Gesang“, bekräftigt Neville, „aber mit diesen großartigen Musikern konnten wir auch die musikalische Seite der Stücke hervorheben – diese Scheibe ist eine prima Kombination und entsprechend zeitgemäß.“
Richards, den Was auf das Projekt ansprach, nachdem er sich daran erinnert hatte, dass der Gitarrist während der Aufnahmen zu dem Stones-Album Voodoo Lounge ständig den Jive-Five-Song „My True Story“ in seinem Zimmer hörte, beschreibt die Arbeit an dem Album als „die perfekte Session“. Innerhalb von fünf Tagen wurden 23 Songs aufgenommen, allesamt live und nicht wenige bereits nach der ersten gemeinsamen Aufnahme im Kasten.
„Gelegenheiten wie diese hat man nicht so oft“, erklärt Richards. „Ich bin wie Aaron mit diesen Songs aufgewachsen. Es macht ungeheuer viel Spaß, zu so einer Stimme zu spielen und die Band hat sich auch auf Anhieb prima verstanden – ich habe selten einen Haufen so gestandener Musiker erlebt, die sich derart wie eine Horde Kinder aufgeführt haben.“
Neville fügt hinzu, er habe diese Musik so tief verinnerlicht, dass es ihm leicht möglich war, den Musikern das mit den Songs verbundene Gefühl von damals auf besondere Art nahe zu bringen. „Bei Songs wie ‘Ting a Ling’ und ‘Work with Me, Annie’ musste ich ihnen den Groove quasi vortanzen“, erklärt er mit einem breiten Lachen. „Ich musste mich ständig bewegen und herumhüpfen und ihnen zeigen, wie man damals durch New Orleans stolziert ist. Die Band hat aber auch alles mitgemacht und ist auf alles gleich angesprungen. Sie haben mir wirklich alles denkbar leicht gemacht.“
Als wäre das alles nicht schon genug, wurden auch einige Sänger aus den Goldenen Tagen des Doo Wop für die Aufnahmesessions hinzugewonnen, die bei einer Reihe von Songs die Backing Vocals stellten, darunter Eugene Pitt von den Jive Five (der übrigens Co-Autor des Titelsongs des vorliegenden Albums ist), Bobby Jay von den Teenagers und Dickie Harmon von den Del-Vikings. Nevilles Tourbandbassist David Johnson, Schlagzeuger Earl Smith Jr. und Joel Katz stellten ihre werten Stimmen ebenfalls bei einigen Gesangsarrangements zur Verfügung.
MY TRUE STORY darf gerne als Krönung von Aaron Nevilles unglaublicher Karriere betrachtet werden, die über viele Jahre mühelos zwischen seinen immer wieder erstaunlichen Soloarbeiten und den formidablen Werken der Neville Brothers, eine der international renommiertesten Bands aus New Orleans, hin und her gependelt ist. Seine erste Hitsingle, das kleine Meisterstück „Tell It Like It Is“, führte 1967 fünf Wochen lang die R&B-Charts an. Für Cry Like a Rainstorm, Howl Like the Wind, seine dreifach mit Platin ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Linda Ronstadt aus dem Jahr 1989, erhielt Neville seinen ersten Grammy Award. 1993 eroberte er mit The Grand Tour die Country-Charts, und für sein jüngstes Projekt, das Gospelalbum I Know I’ve Been Changed aus dem Jahr 2010, wurde er in die Louisiana Music Hall of Fame aufgenommen.
Don Was sagt ganz klar, dass es eine Herzensangelegenheit war, eine Gesangslegende wie Aaron Neville zu Blue Note zu holen. „Niemand singt wie er“, so Was. „Er ist ein riesiger Künstler, voller Integrität, Klasse und Authentizität – all das, was dem Label auch wichtig ist.“
Als Was und Neville über mögliche Projekte sprachen, bemerkte der Sänger, dass es einer seiner lang gehegten Träume sei, ein Album mit Doo-Wop-Songs aufzunehmen. Er fügt jedoch hinzu, dass sein Umzug nach New York (nachdem er durch den Hurrikan Katrina sein Haus verloren hatte) und seine kürzliche Heirat MY TRUE STORY noch zusätzliche Bedeutung gegeben haben.
„Es bedeutet mir wirklich besonders viel“, sagt Neville abschließend. „Ich führe ein neues Leben und singe hier zu meiner Frau Sarah. Ich glaube, Gott weiß, dass ich so etwas immer machen wollte und hat nur den richtigen Moment abgewartet. Er hat die Sterne neu justiert und nun gesagt, ‘Aaron, es ist an der Zeit, Dich an Doo Wop zu versuchen’.“