Pawel Kaczmarczyk – Vars & Kaper DeconstructiON

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Pawel Kaczmarczyk – Vars & Kaper DeconstructiON

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PawelKaczmarczyk_Deconstruction_Cover(Hevhetia, VÖ: 29.07.2016)

Sagen Ihnen Henryk Vars (manchmal auch Wars geschrieben) oder BronisÅ‚aw Kaper was? Wer, bitte schön? Nun, die beiden Schlager- und Filmkomponisten polnischer Herkunft, die im 20. Jahrhundert zunächst zuhause, dann in der Traumfabrik Hollywood Karriere machten, dürften heutzutage allenfalls noch Soundtrack-Spezialisten namentlich geläufig sein, deren Musik sind aber sicher die meisten von uns schon einmal begegnet. Jedenfalls dann, wenn man Filme wie “Lassie – Held auf vier Pfoten”, “Der gläserne Pantoffel”, “Meuterei auf der Bounty” oder die TV-Serien “Flipper”, “Daktari” und “FBI” gesehen und dabei ein wenig auf die Klangbegleitung von Vars bzw. Kaper geachtet hat. Mit seinem Audiofeeling Trio und Gast-DJ Mr. Krime setzt Pianist PaweÅ‚ Kaczmarczyk den großen Landsleuten jetzt ein Denkmal in Tonträgerform, sein Album “deconstructiON” ist eine respektvolle Jazzhommage an deren Schöpfergeist.

Ausgewählte Stücke aus dem Nachlass von Henryk Vars und BronisÅ‚aw Kaper erklingen hier im Jazzsound der Gegenwart. So werden beispielsweise “Mister John” aus der polnischen Musikkomödie “Zapomniana Melodia” (1938), “Follow Me” (“Meuterei auf der Bounty”; 1962) und der Ohrwurm “You Won’t Forget Me Now” sehr modern umgesetzt. “Ninon” aus dem frühen Tonfilm “Ein Lied für dich” (eine deutsch-französische Koproduktion aus dem Jahr 1933) verwandeln die Polen in eine lyrische Instrumentalballade heutiger Prägung. “All God’s Chillun Got Rhythm”, zuerst im Marx- Brothers-Kinoklassiker “A Day At The Races” (1937) zu hören, später im Repertoire von Judy Garland, Stan Getz und Stephane Grapelli, steigert sich nach einem behutsamen Intro zur fesselnden Uptempo-Nummer. Und “While My Lady Sleeps” (“The Chocolate Soldier”; 1941) schließlich ist originell als zeitgemäßer Hardbop-Titel angelegt.

Mit diesem Album belegt Paweł Kaczmarczyk einmal mehr, dass man ihn derzeit völlig zu Recht zur führenden Garde polnischer Jazzpianisten zählt. Voller Esprit und jungenhaftem Draufgängertum glänzt er an den schwarzen und weißen Tasten, je nach Bedarf wechselt er zwischen verspielten Tontexturen und unaufhaltsamem Power-Play, zwischen introvertierter Klangmalerei und extrovertiertem Uptempo-Swing. Die Klavierschulen von Bill Evans, Keith Jarrett, Esbjörn Svensson oder auch Brad Mehldau haben ihn unüberhörbar stark geprägt, inzwischen hat er sich aber längst aus deren Einflusszone befreit und zum ureigenen Stil gefunden.

Auf “deconstructiON” wird Kaczmarczyk von Maciej Adamczak (Kontrabass) und Dawid Fortuna (Drums) kongenial unterstützt. Die beiden Sidemen reagieren adäquat auf jeden seiner Einfälle, passen sich allen Stimmungs- und Tempoänderungen mühelos an. Gast-Discjockey Mr. Krime alias Wojciech DÅ‚ugosz zuguterletzt setzt mit seinem “turntablism” und allerlei Elektronik-Effekten reizvolle Akzente. Dessen virtuose Behandlung des Plattentellers und die rhythmisch exakt ins jeweilige Stück eingepassten Scratching-Sounds erinnern einen gelegentlich an Kid Koala. Im Viererbund erschaffen Kaczmarczyk, Adamczak, Fortuna und Mr. Krime eine ungemein spannende Jazzästhetik unserer Tage. Das traditionelle Format des Klaviertrios kombinieren sie mit Elektronikklängen und digitalen Klangverfremdungen, mit Sprach-Schnipseln und Zitaten aus den oben erwähnten Filmen zu einem hochaktuellen Sound, der nicht nur Jazzfreunde begeistern dürfte.

Die Klavierausbildung des 1984 in Krakau geborenen PaweÅ‚ Kaczmarczyk begann bereits im Alter von sieben Jahren an der staatlichen Musikschule seiner Heimatstadt. Als Teenager begann er sich für den Jazz zu interessieren, besuchte Workshops in Sommerakademien und gründete noch als Schüler seine erste Jazzband. Nach weiteren Studien in der Schule für Jazz und Unterhaltungsmusik sowie der Klavierklasse der Frédéric-Chopin-Schule in Krakau und einem Jazzpiano-Kurs an der Karol-Szymanowski-Musikakademie in Kattowitz rief er 2001 sein Profitrio mit MichaÅ‚ BaraÅ„ski (Bass) und PaweÅ‚ Dobrowolski (Schlagzeug) ins Leben. 2005 entstand in dieser Besetzung ein Live-Album, 2007 folgte mit größerem Line-up die Veröffentlichung “Audiofeeling”. Der Nachfolger “Complexity in Simplicity” von 2009 ebnete dem polnischen Shooting-Star dann den Weg in eine internationale Laufbahn. Im selben Jahr startete Kaczmarczyk die Projektreihe “Directions in Music”, die das Erbe großer Komponisten und Instrumentalisten des Jazz verwaltet. Bislang wurde unter anderem das Schaffen von Dexter Gordon, Freddie Hubbard, Garbarek/Jarrett, Ray Charles und Thelonious Monk in Tribute-Konzerten gewürdigt. In den letzten Jahren tourte Kaczmarczyk durch ganz Europa, Amerika, Afrika und Indien, er wurde zu allen namhaften Festivals (Jazz Meeting Berlin, Jazz en Nord in Frankreich, Gulf Jazz Nights in den Vereinigten Arabischen Emiraten) eingeladen und ist natürlich auch in deutschen Clubs gern gesehener Gast. Im prallgefüllten Terminkalender des mehrfach preisgekrönten Pianisten stehen bis dato gemeinsame Bühnenauftritte mit Größen wie Lee Konitz, Mino Cinelu, Emil Mangelsdorff, Eivind Aarset und Jamiroquai-Trommler Derrick McKenzie.

Website: www.pawelkaczmarczyk.com