Baaba Maal – Television

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Baaba Maal – Television

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(Because Music/discograph; VÖ: 03.07.09) “Die Aufgabe von uns Musikern besteht darin, Ratschläge zu erteilen, die Menschen vor Gefahren zu warnen und ihnen Gedanken zu vermitteln, auf die sie selber vielleicht nie gekommen wären. Wir nutzen Melodien und Harmonien, um solche Gedanken in ihre Köpfe zu befördern.” Mit diesen Worten beschreibt Baaba Maal seine Rolle auf “Television”, dem ersten Studioalbum seit acht Jahren.

Mit ihrem raffinierten Mix aus elektronischen Dance-Elementen und der zeitlosen Tradition westafrikanischer Musik ist diese Veröffentlichung ein ebenbürtiger Nachfolger des Grammy-nominierten “Missing You” von 2001. Produziert wurde “Television” größtenteils von Barry Reynolds, der sich als Gitarrist der legendären Compass Point Studio Band einen Namen gemacht hat. In Nassau griff er gemeinsam mit den “Riddim Twins” Sly & Robbie Musikergrößen wie Grace Jones, Joe Cocker und Black Uhuru unter die Arme. In jüngster Zeit hat Reynolds mit Catherine Ringer (Les Rita Mitsouko), Antony and the Johnsons und Marianne Faithfull gemeinsame Sache gemacht.

Für die Abmischung von “Television” konnte ein namhafter Toningenieur gewonnen werden: Der vierfache Grammy-Gewinner Jerry Boys ist seit langem in allen renommierten Studios der Welt (Abbey Road, Capitol, Olympic, Egrem Habana) zu Hause und sorgte bei Aufnahmen von Pink Floyd, Yehudi Menuhin, den Rolling Stones, REM, John Lee Hooker und dem Buena Vista Social Club im wahrsten Sinn des Wortes für den guten Ton.

Das mehrsprachige “Television” wartet unter anderem mit Songtexten in Wolof, Fulani, Französisch und Italienisch auf. Darüber hinaus enthält es mit “Dakar Moon” Baaba Maals erste Komposition in englischer Sprache. Aufgenommen wurde das Album, mit mehreren Unterbrechungen, im Verlaufe der letzten drei Jahre in London und Dakar. Neben langjährigen Mitstreitern aus Baaba Maals Band Daande Lenol und seinem alten Freund Mansour Seck kamen auch zwei Mitglieder der Brazilian Girls mit ins Studio. Nicht zuletzt denen ist es zu verdanken, dass der senegalesische Künstler diesmal überraschende neue Wege beschreitet. So sorgte Keyboarder Didi Gutman mit zeitgemäßen Elektronikklängen für reichlich frischen Wind, und die multi-linguale Sängerin Sabina Sciubba brachte mit ihrer jugendlichen Stimme einen massenwirksamen Pop-Touch ein.

Beim Song “Tindo”, in dem es um die Anleitung von Erwachsenen geht, die afrikanische Kinder auf dem Weg in eine hoffentlich bessere Zukunft benötigen, spiegelt Sabina Sciubbas Antwortgesang in italienischer Sprache genau das, was Baaba Maal vorträgt. Und das, obwohl Sciubba dessen senegalesischen Dialekt gar nicht versteht. “Sprache ist wie ein Musikinstrument”, erläutert der 55-jährige. “Sabina sagte mir, dass sie die Bedeutung der von mir gesungenen Worte fühlen konnte. So mächtig kann Musik sein. Sie kann dir einen Rat geben, selbst wenn du die Sprache der Songtexte nicht begreifst.”

Der Title-Track “Television” handelt vom vergleichsweise neuen Phänomen allgegenwärtiger TV-Bildschirme im gesamten Afrika. Waren Fernsehapparate lange Zeit Mangelware, so stehen sie mittlerweile in jedem Haushalt zwischen Tunesien und Südafrika. Maal sieht den vermeintlichen Fortschritt durchaus kritisch: “Der Fernseher ist wie ein Fremder, den man nicht zu sich nach Hause eingeladen hat. Man weiß kaum etwas über ihn, er scheint einfach aus dem Nichts zu kommen und bringt Neuigkeiten mit.”

“A Song For Women” wurde von John Leckie (Stone Roses, Phillip Boa, The Verve) sehr modern produziert. Baaba Maal hat das traditionelle Lied aus seiner Heimat schon lange im Repertoire, hier stellt er es aber sozusagen einmal auf den Kopf. Denn während es im Original von einer Hausfrau erzählt, die ihrem Mann das Essen kocht und die gemeinsamen Kinder großzieht, heißt es in der umgetexteten Neufassung, dass sich die Frauen emanzipieren und einmischen sollen, weil sie beim Aufbau Afrikas gebraucht werden. “In diesem Song setze ich mich dafür ein, dass die Frauen in Afrika mehr Macht bekommen”, stellt Baaba Maal engagiert fest. “Das wäre enorm wichtig für den gesamten Kontinent.”

Heute ist er neben Youssou N’Dour der bekannteste Musiker Senegals, als Kind wagte Baaba Maal von solch einer Karriere jedoch kaum zu träumen. In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, standen ihm weiß Gott nicht alle Türen offen. Der Sohn eines einfachen Fischers gehört der Kaste der Fulani an, er stammt also nicht von den Griots ab, die in Senegal traditionell die besten Musiker und Geschichtenerzähler hervorbringen. Geboren ist er im 6.000-Seelen-Städtchen Podor an den Ufern des Flusses Senegal, der das Land gleichen Namens von Mauretanien abgrenzt. Seine Mutter, die selbst Songs schrieb, führte ihn schon früh an die unterschiedlichsten Musikformen heran. Im Teenager-Alter begeisterte sich Baaba Maal für die “schwarze” Musik von Afroamerikanern wie James Brown, Otis Redding, Wilson Pickett und Etta James, später gesellten sich Bob Marley und Jimmy Cliff aus Jamaika zu seinen Idolen. Zur Schule ging der wissbegierige Junge in Saint-Louis, einer ursprünglich französischen Kolonialstadt, danach setzte er seine Ausbildung in der Hauptstadt Dakar fort. Dort schloss er sich der 70-köpfigen Formation Asly Fouta an. In dieser Zeit war Baaba Maal darum bemüht, soviel wie nur irgend möglich über lokale Musikinstrumente und deren Spielweise zu lernen. Nach Abschluss des College tourte er mit seinem blinden Freund Mansour Seck durch Westafrika, unterwegs sammelte er so manche nützliche Erfahrung, wie er sich erinnert: “Das ist so Brauch für junge Musiker. In jedem Dorf, an dem man vorbeikommt, tritt man auf. So freundet man sich schnell mit den jungen Leuten vor Ort an. Am nächsten Tag nehmen sie einen zum Dorfältesten mit, der alles über die Geschichte des Dorfes, das Land und dessen Musik weiß.”

Nach den Lehr- und Wanderjahren ging Baaba Maal nach Paris, wo er mit Unterstützung eines Stipendiums am Conservatoire des Beaux Arts weiterstudieren konnte. Acht Jahre blieb er in der Seine-Metropole, erst 1984 zog es ihn in die Heimat zurück. In Senegal gründete er im Jahr darauf Daande Lenol (Stimme des Volkes) und schon bald hatte er zu Hause den Status eines Superstars inne. Alben wie “Firin’ in Fouta” (1994) und “Nomad Soul” (1998 unter Mithilfe von Brian Eno eingespielt) machten ihn dann auch international zur gefeierten World-Music-Ikone. Neben erfolgreichen Soloveröffentlichungen gab Baaba Maal in seiner Laufbahn unzählige Konzerte überall auf dem Globus. Dazu gehörten zuletzt beispielsweise das großformatige Projekt Africa Express in Kooperation mit Damon Albarn und Franz Ferdinand sowie das Tourprogramm The African Soul Rebels in Großbritannien.

Das Bestreben, Afrika den ihm zustehenden Platz auf der Weltbühne zu sichern, stellt die wichtigste Antriebsfeder im Schaffen von Baaba Maal dar. Als Sprachrohr des “schwarzen” Kontinents vertritt der Sänger/Gitarrist seit langem allerorten dessen Interessen. So spielte er etwa 2003 auf dem sagenumwobenen Nelson Mandela 46664 Concert in Kapstadt, 2007 untermalte er musikalisch den Politikgipfel der Afrikanischen Union in Addis Abeba, nahm am Live Earth Concert in Johannesburg teil und kämpfte beim G8-Protest in Edinburgh dafür, dass Afrika endlich einen Weg aus der Armutsfalle findet.

Sein Einsatz für Afrika geht inzwischen weit über das Musikmachen hinaus. Baaba Maal kümmert sich heute auch in anderen Zusammenhängen um die Belange von Familien, die Förderung junger Leute und sinnvolle Projekte zum Aufbau der Wirtschaft. Dass er zum Jugendbotschafter im Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen berufen wurde, stärkt seine Motivation noch zusätzlich: “Das festigt meinen Entschluss, noch härter für eine Verbesserung der Lebensbedingungen benachteiligter Menschen auf dem afrikanischen Kontinent zu arbeiten. Insbesondere für junge Leute, deren Zukunftsaussichten von Analphabetismus, Armut und HIV/Aids bedroht sind. Mich interessiert, welchen Weg Afrika im neuen Millennium nehmen wird. Vor allem deswegen mache ich Musik, damit ich den Menschen all das mitteilen kann, was ich darüber zu sagen habe.”